Die Schatten der Erdbeerpflücker

Nie im Leben bin ich erster Klasse gereist, weder im Zug noch in der Luft oder auf einem Schiff. Ich sah auch nie den Sinn darin! Verlache alle, die ihre Existenz aufgewertet sehen im Statusdünkel – verachte dann leider auch bisweilen die sich für Bessere halten: Ausnahmeerscheinungen. In der Wiener Albertina stand ich einmal in der Warteschlange der Egon Schiele-Ausstellung, als sich eine Frau im Nerz (leblos) und ein aufgeblasenes Sackgesicht an allen vorbeidrängten. Eine Wienerin hinter mir zischte kalt (es war Sommer): „Mit da Peitschen nach hinten schlagen sollt‘ man sie.“ Ich möchte immer unter den Leuten sein, in ihrer Buntheit, der mein Inneres so entspricht. Nur möglichst ungestört möchte ich sein, ein Beobachter, ein unsichtbarer bunter Hund. (Wien, 11.6.)

Eine brüllende Hitze. Fliegen, unbeweglich schimmernd, unbeweglich sterbend auf der Fensterbank. Die langsamen Leute. Der Dunstspiegel über der Burggasse.

Der Dichter K. M. erzählt von seinem Ferienhaus bei Bellinzona. Abends ging er in den Ort und fand das einzige Lokal wegen Regenwetter geschlossen. Im Garten saß der triefnasse Koch. Er bereitete dem Dichter einen Teller Pasta zu, brachte ihm kühlen Wein, ging dann heim. Und K. M. saß im Garten des Lokals in einer Laube und las dort meinen „Traklpark“. Eine innige Begegnung sei das gewesen.

Als Hochstapler fühle er sich immer öfter, sagt der befreundete Dichter nach der dritten Lesung, zu der eine Handvoll Zuhörer kommen, als Hochstapler in desolater Gemütsverfassung, müde, alt, mit einem Körper voller böser Schmerzen. (Innsbruck, 13.6.)

Die Schönheit der Obstgärten: das dunkle Grün und das helle, die Bäume und das Gras, im freien Spiel.

Auf einem Acker Krähen, genauso viele, genauso gemach und genauso erpicht wie auf dem Nachbarfeld die Erdbeerpflücker, nur ganz schwarz – die Schatten der Erdbeerpflücker. (München, 14.6.)