Die Scheunenschwalben

Wer im Jahr darauf aus einem Hotelzimmer in denselben Garten sieht wie vorigen Sommer – der sieht zunächst den Garten kaum, sondern blickt in sich hinein (in den Garten im Innern? Ja.) und versucht, die Jahreszeitenabfolge nachzuholen. Dann aber ist der Garten vor dem Fenster umso wirklicher, ja ist wieder wirklich geworden. (Wilhelmshaven, 20.5.)

Bolzplätze gab es – und es gibt sie noch immer, denn sie sind ewig auf ihre Weise, unverwüstlich –, die waren mir ein innigeres Zuhause als Elternhaus, Schule, Haus von Verwandten oder Freunden. Waldwege, Hohlwege, Wiesen, Heckenwege, ihr ebenso. Die Liebe zu meiner Großmutter ähnelte diesen Empfindungen. Spinozas Geborgensein. (Jever, 22. Mai 2019)

Zwei Tage lang beobachte ich gegenüber den Krankenhausneubau, das Ein- und Ausgehen der Leute. Das Gebäude besteht fast zur Gänze aus Fenstern, und so sehe ich die Männer und Frauen und Kinder, wie sie das Haus betreten, wie sie den Fahrstuhl nehmen, und durch einen der oberen Korridore bis zu einem Zimmer finden, in dem sie verschwinden, als Patient, als Besucher, als Arzt oder Ärztin. Als ich mit dem Kind telefoniere, gehe ich durch die Sonne, die Straße entlang, bis vor den Krankenhaushaupteingang, und durch das Gebäude hindurch kann ich gegenüber mein verwaistes Fenster sehen. (Delmenhorst, 23.5.)

Der Literaturbetrieb ist es, der eine der Zeit, in der wir leben, angemessene Literatur verhindert.

„Überall Honigblumen“, sagt das Kind beim Anblick des ersten Rapsfeldes. (Fehmarn, 30.5.)

Jeden, jede, ein jedes wertschätzen, das ist die Lösung. Oder wäre es – denn Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit, ist Einvernehmen.

„Ich liebe Ekel!“, ruft das Kind im Watt.

Die Scheunenschwalben – sie segeln herein durch das offene Tor, flattern umher, „rütteln“ vor der einen Spaltbreit offenstehenden Stalltür – und stürzen durch den Spalt hinein, mit für einen Sekundenbruchteil im Flug angelegten Flügeln.

Abends eine Viertelstunde lang um die Häuser ziehen, Kippen sammeln, sie zu Haus prüfen und sortieren, die Aschenkruste wegschneiden – und die guten drei auf dem Balkon rauchen, dabei den Vögeln im nächtlichen Innenhof lauschen – gute alte Barmbeker Sitte.

An der Ampelkreuzung steht der Pastor des Viertels mit seinem Fahrrad und spricht mit einer Alten, hört ihr aufmerksam zu. Selten geworden, womöglich schon immer selten gewesen: das Innehalten, das Zuhören, die Zugewandtheit.