Drei Besichtigungen

Eigentlich, im Grunde genommen, ja in der Tat – en faite –, hast du nie zu denken gelernt. Du kannst nur lesen und schreiben – nur? Du liest – vergeblich – in den Gedanken anderer, du schreibst, um nicht denken zu müssen. Die Wörter, die Sätze, die Silben und ihre Klänge setzen sich, wie Sternbilder vor den leeren Raum, vor deine Gedanken – so scheint es, so scheinen sie. Und womöglich ist das – alles – ein Merkmal, ein Denkmal des Dichterischen. Hier würde das Denken beginnen, beginnen können.

Bleib eigen. Gestalte den Rand, das Ufer. Denn mit dem Strom schwimmen nur die toten Fische. (6.1.)

Besichtigung der Wohnung eines Verstorbenen – als schrittest du eine Viertelstunde lang durch dreieinhalb Zimmer im Jenseits. Alle Gegenstände sind nicht mehr ganz anwesend, wirken, als wollten sie unbedingt erzählen – nicht von ihnen, sondern ihrer Geschichte mit dem Menschen, der hier lebte und sie täglich in die Hand nahm –, ehe sie verschwinden müssen. Im Aufstellrahmen Fotografien von einer schönen Frau in einem schönen Licht, einer für immer anziehenden Toten, vorausgeschritten in die norddeutsche Unterwelt. Und in den Bücherregalen die wirklichen Landkarten, die Romane eines Lebens, Proust, Lawrence, Lowry, Fontane, Hemingway, Hammett. Der Sohn des Toten ist der eigentlich, der einzig Leblose: „Nehmen Sie alles mit“, sagt er tonlos, ohne Herz, mit kalter Visage. „Ich habe nicht vor, noch einmal herzukommen.“ Und mag der Tote auch ein Scheusal gewesen sein. Seine Habseligkeiten haben es mit ihm ausgehalten.