Ein Bewegen und Verschieben

Jede Stunde untersucht jetzt einer die Container auf dem Parkplatz, sucht wonach, Verwertbarem? Ist das die Grenze der Poesie? Nein. Im Grunde ist es der Beginn. Einer hängt sich hinein in den Altkleidercontainer, bis nur noch seine Unterschenkel und beschuhten Füße herausRAGEN. Seine Familie steht derweil im Halbkreis vor dem Container und beobachtet Papi bei der Arbeit. Ihr Lächeln, ihr Lachen, ihr Klopfen auf den Hintern des in der Tonne hängenden Vaters. Und ihre Anerkennung, wenn er Dinge hervorfischt, die keiner von uns für möglich hielt. Ein anderer fischt Blätter aus dem Altpapiercontainer, die er lesend davonträgt – ein Leser. (19.5.)

„Wir sind alle verletzt“, sagt Peter Handke im Radio, in einem Feature über Hermann Lenz, dessen Vergessenwerden er nicht verhindern konnte.

„Everyone is a burning sun.“ Wilco

Wandspruch, mitten im Einkaufsdorf: „Lebenswert – geheuchelt“.

Schluss des Auftakts von Hermann Lenz’ Roman „Verlassene Zimmer“, mit dem er 1966 seine Eugen-Rapp-Saga beginnt: „Dies geschah in einem Weingärtnerdorfe gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts und war nicht mehr als ein Bewegen und Verschieben weniger Minuten, in das die Weite hineinreicht, die unermeßlich bleibt.“

Kleines Mädchen mit Plastikblüte im Haar fragt dich: „Wen suchst du?“ Dass du dein Kind suchst, antwortest du, und das Mädchen fragt, wie dein Kind aussehe und warum du es verloren hast. „Ich kenne dein Kind“, sagt das Mädchen. „Es ist eins von denen, die mich behandeln wie Luft.“ – „Wie Luft?“ – „Dein Kind hat zu mir gesagt, ich habe Augen aus Glassplittern.“ Du sagst dem Mädchen, dass dein Kind soetwas nie sagen würde. Aber es glaubt dir nicht. „Ich habe es gesehen!“ (Stellingen, 22.5.)