The surrounding bullshit

Für immer und einen Tag wird ihr Nashorn unter meiner Küchenbank liegen, „vom Lichte erwärmt“. Ilse Aichinger ist gestorben. (11.11.16)

Und gestern oder vorgestern starb angeblich Leonard Cohen – der nie sterben wird. Ich habe seine Lieder schon gehört, da war ich noch keine 16. O., der treulose Freund, traf als Bubi auf Cohen in den Dünen von Hydra und zehrte von der Begegnung ein halbes Leben lang: Der dunkle Fremde mit dem über der Brust offenen Hemd, der den ehrfürchtig schweigenden Jungen mitnahm in seine Schreibgemächer im Strandhaus, wo er einen Totenschädel auf dem Tisch stehen hatte. 1982 vielleicht. Zwei Jahrzehnte lang debattierten wir, ob Cohens Gedichte Literatur seien „oder bloß Lieder“ – anstatt sie zu lesen und ihre nichtswürdigen Übersetzungen zu hinterfragen. Unvergessen: sein dreibeiniger Hund im Nebel; in einem meiner Gedichte, das noch gar nicht veröffentlicht ist, taucht er wieder auf und behauptet sein Recht. Cohen war und ist eine Brücke, auf seine Weise bedeutender als Bowie und Dylan. Was Judentum heute unverändert ist, lernte ich nicht in der Schule, sondern an den Nachmittagen und Abenden, wenn ich seine Songs hörte und seine Romane las. „Das Lieblingsspiel“. „Schöne Verlierer“. Einige der Mythen herübergerettet und aufbegehrt zu haben gegen die Macht der Liebe wird sein Vermächtnis bleiben.

Am Morgen leuchtet das Gold einer russisch-orthodoxen Basilika durch die Bäume auf dem Hügelkamm – die Sonne geht auf, und das Gebäude dort oben über den Feldern voller Raureif gibt es nur in deiner Vorstellung und für zwölf, fünfzehn Sekunden. (Windeby, 13.11.)

Ob Obama sich gewundert hat über Trumps Wahl zu seinem Nachfolger? Vollmundig behauptet der Noch-Präsident, er wäre auch ein zweites Mal wiedergewählt worden. Ob er sich gewundert hätte über einen anderen Nachfolger, vielleicht Sanders, wenn der sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen, Guantánamo geschlossen, die Bespitzelungen freier Bürger durch die NSA unterbunden anstatt gerechtfertigt und den Mut besessen hätte, eine TV-Liquidierung wie die Bin Ladens als unmenschlich zu brandmarken anstatt sie für sich auszunutzen und zu belächeln. Ob sich Obama über sich selber wundert, oder darüber, wieviel er unterließ? „In fantastischer Atmosphäre“, sagt er, habe das erste Vorbereitungstreffen auf die Amtsübergabe mit dem populistischen Hetzer Trump stattgefunden.

„Nothing’s changed but the surrounding bullshit that has grown … / And now he’s home, and we’re laughing like we always did … / My same old, same old friend … / Until a quarter-to-ten …“ Pearl Jam

Abgeworfen hat das Rennpferd seinen Jockey / und galoppiert allein durch Louisville, Kentucky.

„Die Welt ist leer, sie ist auserzählt“, sagt im Radio der Literaturkritiker, und ich schalte das Gerät aus.