Verbeugung vor einer Tasse

„… und da bin ich in das Buch eingestiegen“ – an der Buchhaltestelle? Und wohin fuhr das Buch denn? Was hast du gesehen, wenn du mal rausgeguckt hast aus dem Buch? War es teuer, mit dem Buch unterwegs zu sein? Warst du allein in dem Buch, oder waren da andere wie du, oder sogar viele? Und wann bist du ausgestiegen?

Auf dem Waschbeckenrand, die blassrote Seifenschale mit Henkel, auf einmal sehe ich, das ist meine alte Taxifahrerkaffeetasse, fünf Jahre lang, vor zwanzig zuletzt, trank ich daraus meine immer abgestandene, immer lauere und kühlere Nachtschichtkaffeeplörre. Jeden Kilometer hat sie mitgemacht, 250 Lüneburger Wochenendnächte. Hier steht sie jetzt, Seifenschale aus Plastik, praktisch, weil unzerbrechlich, leicht zu säubern (weiß ich). Ich spüre sie an den Lippen, in der Hand, an den Fingerkuppen. Und sehe es noch leicht schwappen auf ihrem Grund, in einer dunklen Straße vor einem dunklen Zaun.

Im Zug erzählt eine Frau, die starkes Nasenbluten hat, ihrer Sitznachbarin, dass es ihr so ergehe, seit sie ein Mädchen war. „Es stürzt mir aus dem Kopf, unerfindlich, warum, nicht aufzuhalten.“ Sie habe sich daran gewöhnt. Es sei ein Teil von ihr. „Das rote Innenleben, das alle sehen können.“ Sie ist blass. Ihre Augen glänzen. (Hannover, 25.6.)

„Es war eine wilde Trauer; ein Widerstand, wo jeder Widerstand zwecklos war, und umso unbedingter.“ Peter Handke