Guêpes

Wir wissen nicht, was Wespen wirklich sind,
    das fliegende Feuer, der gestreifte Unmut,
die Grausamkeit der Luft oder brummendes
    Zyankali mit zweihundert in jeder Richtung
gleichzeitig äugenden Augen, wir wissen nur,
    sie verwerfen uns. Wir? Nur müdes Getier,
Schatten für sie, ein Hindernis, das überlegt
    und überlebt, obwohl sie uns unendlich oft
erdolcht haben, der Irrtum in ihrer Folternatur,
    der zerstochen, zersägt, weggetragen gehört,
nur sich weigert. Wären sie groß wie Bussarde,
    sie könnten mit ihrem fühllosen Beißwerkzeug
mein Fahrrad zerreißen. Sie sind der Zirkumflex
    in einem Alphabet aus Gebrüll, Fingernagel-
unwetter, radikale Rage. Glaub nicht, du bist
    interessant für sie. Glaub nicht, sie lernen
von uns oder wollen etwas wissen von dir
    oder mir, etwa was Plastik ist, die Zeit,
der Perseidenregen oder Boris Pasternak.
    Die junge Wespe auf meiner Armbanduhr
belauert keinen Zeiger, folgt keinem Kreis, nur
    süßem Duften nach Tod in Leder und Schweiß.

Für Jürgen Nendza