Die Kunst, Großvater zu sein
Französisch / Deutsch
Ausgewählt und übersetzt
sowie mit Anmerkungen und einem
Nachwort versehen von Juliette
Aubert-Affholder und Mirko Bonné
Verlag Das kulturelle Gedächtnis
Berlin 2022
ISBN: 978-3-946990-71-0
„An jeder Hand nehmen werde ich ein Kind. / Ich liebe die Wälder, wo die Rehe und Kitze sind, / Wo weißen Hirschkühen nachfolgen Hirsche, gescheckt / Und auf dem Sprung, weil ein Ästeschatten sie erschreckt – / Denn eine so große Bangigkeit hat ein jedes Wild, / Dass selbst Blätterrascheln es mit Angst erfüllt. / Bäume sind tiefgründig, denn sie lassen einen empfinden, / Dass nur das Paradies wahr ist, dass Herzen sich dort finden / Und dass alles einerlei ist, nur Liebe nicht und Liebesnest. / (…) So werde dort auch ich entlangspazieren / Mit meinen zwei Zwergen.“
– aus Victor Hugo, „Auf Guernsey“
Kennen wir Victor Hugo? Vermutlich würden viele diese Frage bejahen. Nach zahlreichen Verfilmungen und / oder Musicals verbinden wir mit diesem Autor den „Glöckner von Notre-Dame“ oder „Die Elenden“ – „Les misérables“. Aber kennen wir ihn wirklich? In Frankreich gilt Hugo vielen neben Balzac, Molière, Proust oder Voltaire als einer der bedeutendsten Autoren überhaupt. Und dies nicht zuletzt aufgrund seines umfangreichen lyrischen Werkes.
Seine Gedichte Die Kunst, Großvater zu sein gehören in Frankreich seit Jahrzehnten zum Kanon, zu den Schul-Klassikern – wie in Deutschland die Gedichte Heines oder Schillers.
Juliette Aubert-Affholder und Mirko Bonné haben für diesen zweisprachigen Band eine Auswahl aus „L’art d’être grand-père“ getroffen und sie in einer so spielerischen wie profunden Übertragung erstmals ins Deutsche gebracht: Gedichte eines liebenden, die Generationen reflektierenden Großvaters, der zurückblickt auf ein Leben voller persönlicher und politischer Umbrüche und Verwerfungen – ein poetischer Kosmos, dessen Sonnen die Kinder sind.
Brief an Dionysis Kapsalis
Offener Brief
Deutsch und Griechisch
Übersetzt von Kostas Kosmas
Edition Romiosini
Berlin 2022
ISSN: 2510-1692.
es ist ein Montagnachmittag in Südfrankreich, an dem ich meinen Brief an Sie beginne. Ich grüße Sie von Herzen.
Ich will Ihnen einiges zu Ihren Gedichten schreiben, wie ich sie verstehe, Ihnen jedoch auch von mir erzählen und die Gelegenheit nutzen, meinen Blick auf die Poesie in Worte zu fassen. Sie werden feststellen, dass dies alles andere als theoretisch vonstattengeht.“
So beginnt Mirko Bonné seinen Offenen Brief an den griechischen Dichter Dionysis Kapsalis, mit dem die namhafte Reihe der Edition Romiosini fortgesetzt wird. Bonné schreibt über den Alltag im sommerlichen Luberon, über Lektüren und Übersetzungen und natürlich über die vielfältig bewunderten, so eigenen Gedichte des griechischen Dichters.
Die frühen Gedichte
Schöffling & Co.
Frankfurt am Main 2022
Umschlagcollage von Mirko Bonné
ISBN: 978-3-89561-346-3.
Das mehr als zwanzig Jahre umspannende lyrische Frühwerk des vielfach ausgezeichneten Dichters und Erzählers Mirko Bonné spielt mit »Trojanern«, »Homevideos« und einem »schwebenden ABC«, durchmisst Orte voller »Blechmüll« und »Werftschrott« in Landschaften, »wo Kinder nach Patronen graben« und die »Gedächtniseingreiftruppe« »lichterlohe Amseln« ins »Herzland« bannt. Die Gedichte feiern »Lebendigkeitsmomente«, begehen »Anschläge auf die Ordnung« und erinnern daran: »Unsere Worte waren zu lang / auf Reisen. / Es wird wieder Zeit für Besuche.«
Elis in Venedig versammelt neben sämtlichen von 1990 bis 2004 verstreut erschienenen Gedichten die frühen, in den vergriffenen Bänden Langrenus (1994), Gelenkiges Geschöpf (1996) und Hibiskus Code (2003) veröffentlichten Gedichte eines Meisters der Vergegenwärtigung. Seine sprachmagische Dichtung sei »voller Volten und von einer hoffnungslosen Sinnlichkeit«, bescheinigte ihm Helmut Böttiger im Deutschlandfunk Kultur. Von Elis in Venedig führen die Linien seiner an Georg Trakl und Günter Eich geschulten, auf E. E. Cummings und Sylvia Plath antwortenden, Marc Aurel und Paul Celan nachhörenden Poetik zu den gefeierten Gedichtbänden Traklpark (2012) und Wimpern und Asche (2018). Das Titelgedicht widmet sich Georg Trakls Reise nach Venedig im Sommer 1913:
Elis in Venedig
1913 stehen Elis und ein Lancia
am Meer, Elis im einteiligen Badeanzug,
schwarz, und im Kopf Kokain. Immer ein Bild:
Zwei Rappen schwimmen und ertrinken.
Er starrt eine Zeit abwesend
auf das blausilberne Automobil,
der Lancia umlagert von Buben
in der Sonne der Lidostraße.
Bis Loos-Luzifer ruft: „Chianti!“
und eine Hand Sand wirft.
Lässig geht er mit, sie fahren.
Sein Zimmer starrt von Insekten.
Er rennt sofort wieder hinaus,
durchs Gras über dem Steinstrand,
und rennt zwei Badegäste um
im Glauben, er habe ein Messer.
Im nächsten Augenblick,
eine einzelne weiße Hand
flöge ihm hinterher, die
Steilküste lang.