Bianchon

Warum das Kind in der Schule keine 2 schreibt: „Die Zweien sind ausgestorben.“

Sätze und Verse gibt es, die verfolgen, nein begleiten mich seit Jahrzehnten, damals herbeigeflogen und nie wieder fortgezogen: „Wieder in den Wicken erwacht, / am Morgen …“, „Abendsommerland, / die Mücken spielen …“, oder, seltsamer Ohrwurm: „I’m a poet, I’m a tumbler“. Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Meine Sprache ist klüger als ich.

In Worpswede, der ganze Kunsthandwerk- und Kitschzirkus kann die so erregende wie erschütternde Schönheit vieler Bilder von Overbeck, Vogeler, Mackensen, Modersohn-Becker und anderen, zu Unrecht heute Vergessenen nicht kaputtkriegen.

Angeblich Balzacs letzte Worte: „Huit jours avec la fièvre! J’aurais encore eu le temps d’écrire un livre. Ah oui! … je sais. Il me faudrait Bianchon … Bianchon me sauverait lui!“ Horace Bianchon ist eine Gestalt Balzacs aus zwei Romanen der „Comédie humaine“: „Acht Tage Fieber! Da hätte ich ja noch ein Buch schreiben können. Ja! … ich hab’s. Ich bräuchte Bianchon … Bianchon würde mich retten!“

Du glaubst also, es gibt sie, die Schuld? Seit vielen Jahren frage ich mich, ob Schuld nicht eine Leerstelle ist, um die wir herumrennen, um sie einzukreisen und zu rufen: „Du bist schuld!“ oder „Ich bin schuld, ich!“ Bin ich’s? Bist du’s? Wer, wenn keiner von uns? Darauf bleib ich eine Antwort schuldig.

Das schöne englische Wort „lacuna“, die Lücke, aber die wirkmächtige. Das Nichts im Tag, in der Welt, die Lücke als integraler Bestandteil, das stützende Manko.