In Westerstede scheint die kulturelle Vergangenheit und kulturelle Identität vollständig unterhalb der Oberfläche stattzufinden. Aber ist das tatsächlich so? Ist das nicht allein Projektion?
Ich komme vorbei am Westersteder Philippsbrunnen, ein Geschenk aus dem Jahr 1862 eines Sohnes des Städtchens, der nach England auswanderte, reich wurde als Baumwollhändler und 1884 Bürgermeister von Manchester.
Die Buchstaben bewegen sich – eine kleine Fliege rennt über meine Notizen!
Gäbe es ein norddeutsches Reich der Baumschulen, der Formgewächse und -gehölze, Westerstede wäre die ruhmreich zurechtgestutzte Hauptstadt.
Von Philipp Goldschmidt aus Westerstede zu Georg Schmidt-Westerstede. Der Maler und Bildhauer Georg Schmidt nannte sich zeitlebens als Künstler Georg Schmidt-Westerstede und ist heute völlig zu Unrecht so gut wie vergessen. Er ist ein Meister der Mosaiken, Fresken, Sgraffiti, und viele seiner Ölbilder und Aquarelle berühren vielleicht erst heute, fast vierzig Jahre nach seinem Tod 1982. In Westerstede erinnern nur wenige Hausmosaiken an sein Schaffen, doch als ich an dem vernieselten Sonntagvormittag an einer Klinkerhauswand vorbeikomme, die ein Mosaik Schmidt-Westerstedes beinhaltet, bleibe ich unwillkürlich fasziniert stehen und betrachte das Bild minutenlang. Auf meiner Rundfahrt durch das Oldenburger Land treffe ich immer wieder auf Bilder und Skulpturen Schmidt-Westerstedes, dessen markanter, so verspielter wie expressiver Stil besonders im Mosaik unverkennbar ist. Tiere, Maritimes, Mediterranes, Inniges. Oft frage ich mich, wie wohl ein solches Bild von Krebsen, Hummern und Fischen in derart leuchtenden Blautönen wirken mag auf eine Passantin, die dem Westersteder Alltag zu entgehen versucht, indem sie umherspaziert und die Augen offenhält. Ich sehe Kunstwerke Schmidt-Westerstedes in Butjadingen, in Brake an der Weser. In Oldenburg blicken meine Hotelzimmerfenster auf eine Passage, die Georg Schmidt-Westerstede gestaltet hat, den Herbartgang, dessen Mosaiken, Lampen, Türen, Durchgänge. Das Oldenburger Land, seine Vergangenheit und seine so widerständig bescheidene Kultur bewahren Schmidt-Westerstedes Alltagsinstallationen auf, um sie Tag für Tag weiterzugeben an jeden, der sie betrachtet.