Sehnsucht nach einer Senfsemmel

„You can’t stop growing old.“ Placebo

Die Leere, wenn die Kinder wieder weg sind, ist nie nur die nach dem mit Trubel und Leben erfüllten Wochenendtagen. Es ist immer auch die Leere von vor zehn, elf Jahren, immer auch die des Trauerschmerzes seither.

Ist es nicht auch schön, dass dir deine Augen immer schlechter werden?

Ah, bese(e)ligende Wehmut – Mut zur Traurigkeit –, spätabends durch die Innenstadt des Kindheitsvororts zu fahren. Musik läuft, die ist erst halb so alt: Without you I’m nothing. Und vorbeifliegen Orte, die es nicht mehr gibt, nur noch in mir (aber wer will das sagen), Einkaufszentrum, Busbahnhof – alles sah ganz anders aus, viel kleiner, viel schmächtiger, viel einfacher, so wie du selbst. Wo jetzt eine Glaswand ist, stand ich als Junge, mampfte die ritualisierte Senfsemmel und staunte wütend in die Welt. Und keinen hat es gekümmert. Wenigstens das ist unverändert geblieben.

Das Kind fährt nicht mehr Fahrrad – wegen des Helms, wegen der Helmfrisur.

Da ich nicht weiß, wie ich mit der Smartphone-Tastatur den Akzent auf meinen Nachnamen bekomme, tippe ich seit Monaten „José“ ein, weil das Programm den Namen vorgibt, und ändere dann das „Jos“ in „Bonn“. Langsam, merke ich, werde ich ein anderer. Wer bist du, Mirko José?

Hier ist kein Fenster zu irgendeiner Seele. Die Fenster zur Seele, wenn die Seele denn Fenster hat, sind mit Matratzen verbarrikadiert und dunkel hinter zugezogenen Vorhängen.

Das Gras ist ein rätselhafter Lichtspalt.