Allem, was verschwindet

Die Sommeradresse.

Hier ist ein mit pötterndem Auspuff den Berg (Hügel) hinaufkriechender Wagen schon ein Ereignis.

Der Ophelia-Zoom.

Das Lichtflimmern oben auf den Falschen Akazien, ein leuchtender Deckel, ein Lichtverschluss, an den Straßen über die freien, grünen Grasebenen zwischen den dunklen Waldflächen des Schwarzwalds – nur die annähernde Beschreibung (noch) möglich. (Erzgrube, 3.7.)

Oscar Wildes Leben und Oscar Wildes Sterben stellen nicht die Kapitulation des Einzelnen vor der vermeintlichen Allmacht von Staat, Repression und Politik als solcher dar, sondern den Triumph des Dichterischen über den Stumpfsinn. Wildes allerletzter literarischer Text, seine große Ballade vom Leben und Sterben im Zuchthaus Reading verdeutlicht dies anhand seines abschließendes Wortes: sword – Schwert. (Lies nach!)

Allem, was verschwindet, nehme ich mich an.

Den ganzen Tag lang das Katakombengefühl. (Maulbronn, 21.7.)

Arcade Fire – Neon bible
Arcade Fire – The suburbs

Ein leeres Ruderboot löst sich vom Anleger und treibt auf dem Neckar flussabwärts. Zuerst entdeckt das Malheur der Hund des Bootsverleihers, eine große schlanke Münsterländerhündin, die nervös auf dem Pier hin und her rennt. Und der Bootsverleiher selbst kommt aus seinem Verschlag gestürzt, springt in ein anderes Boot und rudert dem abgetriebenen nach, um es ins Schlepptau zu nehmen. Während sein Hund am Anleger von Boot zu Boot springt, ihm nach über dem grünen Wasser voller Forellen und Enten. (Tübingen, 26.7.)

Unter der nächtlichen Brücke tost der Buëch hindurch, hinweg über die im Mondschein kahlweißen Felsen. Die Brücke ist aus Beton, doch einzelne Überreste der alten, mittelalterlichen Steintraverse stehen noch am schattendunklen Ufer, als hätte der Bergfluss, Strom geworden, die Bögen und Pfeiler abgebrochen und davongetragen, ja so laut braust der Buëch, der talwärts der Durance entgegenströmt, dass dir im Dunkel auf der Brücke selbst das verschwundene Kastell hoch oben über den alten, mitteltalterlichen Häusern von ihm abgebrochen und davongerissen erscheint. In seinem Tosen wird es augenblicklang Bild und wirkt die Unweigerlichkeit des Zeitfortgangs illusorisch. (Serres, 3.8.22)

Während zahlloser Wanderungen, Betrachtungen und Lektüren früher überkam mich immer öfter das ungute Gefühl, sie würden mir dazu dienen, sie beschreiben zu können – der funktionalisierte Blick auf die Dinge –, Dinge, die jedoch, vielleicht gerade dadurch, unwirklich blieben. Mit den Jahren zog ich mich deshalb von „den Dingen“ zurück, scheint mir, verschwand aus der Welt, nahm nicht länger schreibend alles auf und daran teil, sondern ließ die Welt Welt sein, die Dinge die Dinge, um sie für mich zu bewahren und zu schützen vor dem schalen Gefühl, sie benutzt zu haben, begann zu erfinden, baute Erfahrung, Betrachtung, Erlebnis um zu Fiktion – als hätte ich einen auf dem Boden liegenden Spiegel zertreten und würde versuchen, die Scherben neu und anders zusammenzusetzen. Seit einiger Zeit wird mir dieses Schreibspiel auch durch das Übersetzen ersetzt – wobei ich immer dringlicher merke, wie sehr mir darin zwar nicht das Schöpferische, doch die erfinderische Selbstbestimmung fehlt. Es ist dank wichtiger Impulse anders geworden – Dickinson, Wilde, Komunyakaa –, tröstliches Zeichen dafür, dass mein erkranktes Schreiben noch gesunden, sich wiederbeleben und umorientieren kann. Ich gehe hinaus unter die Dinge – the things, das Andere –, nicht, um sie aufzuschreiben, sondern hoffe, dem Blick, der der meine ist, gehen ab und an wieder die wunden Augen auf. (Volx, 4.8.)

Il faut être absolument uncool.