Auf der Lichtschwelle

Zwischen den Häusern, den Villen am Elbhang, der schmale silberne Abschnitt des meerwärts fließenden Stroms – seine unfassliche Ruhe. Niemals mein „Nur weg, nur weg!“, immer bloß sein gleichmütiges „Weiter, weiter“ – im Hintergrund das Gebelfer der chinesischen Generalkonsulatsangestellten, Abteilung Visumsangelegenheiten (31. Juli, fünf Wochen bis zum Flug nach Shanghai).

Gestern, der abgestorbene Baum, knorrige vertrocknete Eiche, eine Handvoll gelber Vorjahresblätter hoch droben im ansonsten kahlen Geäst: der vorübergehende Tod! „Diesen Sommer“, dachte ich, „lässt sie vorbeigehen. Sie macht eine Pause, setzt ein Jahr lang aus. In ihrem Alter eine leichte Übung, die Weisheit, die Besonnenheit.“ (Augustbeginn im Hamburger Jenischpark, wieder der Blick, diesmal zwischen den alten Bäumen hindurch, aufs silberne Band der Elbe)

Durch die Gänge und Flure, vorbei an den Warte- und den Schwesternzimmern zu eilen, hinaus ins Freie, ans Licht und in die Luft – wie herrlich und zugleich schauderhaft. Jedes Krankenhaus, ja jede Arztpraxis ist eine Abteilung der Unterwelt. Selten im Alltag fühlst du das Orphische so deutlich wie auf der Lichtschwelle, dem Siechen vorübergehend entronnen (St. Georg, am 2. August, die rasselnden Zitterpappeln zwischen Haus A und Haus M).