Die große, alte Brigitte Kronauer (in ihrer Rede zum 80. Geburtstag von Ror Wolf, „Ein tadellos sprühender Glanz“, vom 4. September 2012): „Unser ursprünglich womöglich halbwegs individuelles Bewußtsein ist bedröhnt von einer jedermann überfordernden, nicht mehr organisierbaren Masse collagierter, montierter Wissens- und Nachrichtenfetzen. Ein nervöser Zustand, den wir in merkwürdiger Süchtigkeit nach Vermengung von Tatsachen und Simulation durch zerstreut gieriges Hin und Her zwischen Tagesschau, Werbung für Salatsauce, Oper, Rasierschaumreklame, Sportschau, Erotikdrama, Terror noch verstärken. Die (westliche) Realität: eine Kolportage der Wirklichkeit, eine Fiktion ohne Anfang und Ende, gleichgültig, grausam, ohne Zusammenhang, dazwischen in Tupfern und Flusen tränenselig gefühlvoll. Und schon wieder vorbei. Zugleich von gußeiserner Beschaulichkeit, maßlos in der Nachfrage nach Katastrophen, die wir (…) letzten Endes biedermännisch als Überlebende und Noch-Entschlüpfte zum Frühstück und abends auf dem Sofa, hin und wieder flüchtig exaltiert, an uns vorüberziehen lassen.“ Für wen hat Brigitte Kronauer das geschrieben, gegen wen? Um der Wahrheit willen, Sprachmacht veranschaulichend? Für sich? Gegen sich selbst? Jedes Wort eine Bankrotterklärung. Ich fühle mich nicht nur nicht gemeint, sondern desavouiert, gemaßregelt, niedergeschmettert und ausgeschlossen. Das „unser“ dieser Sätze ist ein peinigend-angewidertes „euer“, ein sezierendes Ungeheuer. Kein Wort von der Verzweiflung, die (uns) alle umtreibt und an die Bildschirmwand drückt. Wo sind die Auswege, die Unterschiede? Alles blitzt nur so vor lauter Oberfläche (7.1.).