Sooft ich an dem Telefonladen vorbeigehe, -fahre, sooft ich davor stehe oder warte, immer telefoniert darin der Angestellte.
Im St. Petrus-Dom tief bewegt von den Kalvarienreliefs im Kreuzgang, Jesus von Nazareth, wie er das Kreuz aufgeladen bekommt, wie er es schultert, wie er stürzt, es weiterschleppt, stürzt, es von Neuem aufnimmt, stürzt und auf der Erde kauert, verhöhnt, beweint, verlacht, atemlos, am Ende. Wie er es weiterträgt. Die Reliefs erlauben den Blick in die Gesichter aller Beteiligten. Ich ging nochmals zurück, um die Chronologie zu verstehen. Die Körperlichkeit. Das Erdulden. Das Wissen um die Ungerechtigkeit. Die augenfällige Gleichzeitigkeit. (Osnabrück, 16.9.)
Im stillen Dom ein Pulk Flüchtlinge, die von zwei Damen erklärt bekommen, woran die Deutschen glauben. Einer fragt, was der Löwe bedeute, und erhält zur Antwort, dass der Löwe für Kraft stehe, die Kraft des Glaubens. Im überfüllten Zug heim sitzt auf dem reservierten Platz neben mir ein junger Syrer, der bald vertrieben wird von einer Gruppe Kegelbrüder. Er kauert sich ins Gepäckfach zwischen Sitzen und Tür, übermüdet und wortlos. Ich lese Cheever: „Bevor es hell wird, wache ich auf in einem Rausch der Heiterkeit. Ich glaube, dass ich es alles zurückbekommen werde: die grünen Wogen des Nordatlantik, den Witz und die Hochstimmungen eines geilen Lebens, den Blauen-Himmel-Mut, einen natürlichen Zugriff auf die Dinge. Ich glaube, dass ich es alles zurückbekommen werde. Ich träume einen angenehmen Traum mit angenehmen und unangenehmen Gestalten. Der Allerwiderwärtigste lässt die Hosen runter, aber, guter Gott, warum sollte ich mir darüber noch länger den Kopf zerbrechen? Ich treffe alte Freunde aus meiner Kindheit. Mit dem Guten an der Liebe ist es ähnlich wie mit langen Stoffen, ruhigen, unaufgeregten, einem feinen, welken Schatten. Und ich werde auswandern aus diesem schrecklichen Land, in dem ich schwitzend im Bett liege, darauf warte, dass der Ölbrenner dem Haus mit Feuer den Rachen stopft, darauf warte, dass meine Schulden mich zugrunde richten, während mir die Leiste schmerzt wie eine Wunde. Ich werde es alles zurückbekommen.“
Erinnere dich: Wie du Ausschau hieltest nach den Güterwaggons, auf denen ihr Name stand, bloß um … ja, was? Aber es gibt keine Verbindung zwischen den Gegenständen und den Empfindungen, es sei denn im Wünschen, im Wunsch, es möge diese Verbindung geben.
Auf dem Spielplatz, der umgeben ist von lauter eingesperrten Tieren, sagt die Frau zu ihrer Tochter, während die sich die Turnschuhe bindet, „damit es endlich losgehen kann“ (was denn?): „Würdest du bitte nicht auch daraus jetzt so einen Spielfilm machen?“ (Harburg, 17.9.)
Unter den Tieren fiel mir besonders der Luchs auf, der war, wie ich gern wäre, wenn auch nicht eingesperrt: Der Luchs schlief auf einer hölzernen Plattform in einer Baumkrone. Aber auch das Schwirren der Luft in dem Fledermaushaus war ergreifend, die Fledermäuse, die mich für einen nennbaren Widerstand zu halten schienen. Und in einem Sonnenfleck, der zwischen zwei Büschen auf einem Stein lag, döste eine schwarzweiße Schlange. The sounds of the birds! The sounds of the birds of Flims.