Das Zimmerfenster blickt auf den nächtlichen Kirchplatz im Magnitorviertel. Er ist leer, stumm, verlassen, voller Geister und Schatten, die lachen, belebt wie am Mittag, wenn die Schulen aus sind und die Schüler durch die Stadt strömen. Es ist 1961. Dort unten auf dem Kopfsteinpflaster vor der Bäckerei steht meine Mutter und bespricht etwas Ernstes mit ihrer Freundin Renate. Sie sind 15. In vier Jahren komme ich zur Welt (Braunschweig, 29. Januar).
Ein blühender Forsythienstrauß auf dem Tisch, gelb und grün, noch gar nicht duftig, vielleicht doch aus Stoff und Kunststoff? Nein, lebendig (du spürst das Verwandte zwischen den Fingerkuppen), zugleich am Blühen und Verwelken. Ich denke an den Strauß noch am tristen Braunschweiger Hauptbahnhof: Forsythiensträucher stehen dort im Nieselregen, kahl, glänzend, Gerippe – noch viel zu früh für blühende Forsythien.
Foto: Die Geistertram von Braunschweig mit der Reklame „Foto-Lange gibt sich Mühe“