Ehre und Auge

Zwei einander nahe Begriffe: Nähe und Nähen. Jetzt nähen wir zusammen, was viel zu lange aufgetrennt war und auf zwei verschiedenen Seiten immerzu weinte.

Ein Pulk Geflüchteter, ein halbes dutzend Frauen und Männer, aber auch Jugendliche und drei kleine Kinder. Jeder trägt eine schwere Tasche oder hat einen Rucksack auf dem Rücken, einen ganzen Schrank. Ein ganzes Zimmer tragen die Frauen, ein ganzes Haus schleppen alle zusammen, alles versprengt, zigfach aussortiert und minimalisiert. (Berlin, 20.1.)

Die seltsam schöne Uckermark. Die stillen großen Seen, das Hügelland, die Schneefelder voller Baumruinen. Brandenburgische Ebenen, blickweit aufgetan. In Staub mit allen Freunden der Enge. (Prenzlau, 20.1.)

Bei Ehre denke ich an Getreide.

Auf dem weiß überfrorenen Bahnhofsvorplatz steht im Morgenlicht ein großer Lastwagen, meerblau. Auf den Seitenwänden prangt das Wort AUGE. (Greifswald, 21.1.)

Glaub nicht, die vermeintlich einfachen Leute, die Arbeiter, die Arbeitslosen oder Schicksallosen hätten einander nichts zu erzählen, ja würden sich nicht austauschen! Du musst (dir) auch ihre Stimmen übersetzen. (Berlin-Charlottenburg, 22.1.)

Der Schmerz nach einem Verlust – noch der geringsten Dinge! – ist immer auch die Trauer darüber, dass es den Tod gibt und der ein Verhängnis ist.