Endlich angekommen

„Endlich angekommen in der neuen Business-Welt?“ – Nein. (Wien, 26.1.)

Die Lokomotive fuhr an und machte dabei Musik.

Tizian, Verkuendigung an Maria - Annunciation to Mary / Titian / c.1540 - „Ist der Fluss, an dem ich entlangfahre, selbst auf Reisen?“, fragt der Reiseschriftsteller zu Beginn seiner Lesung. Aber er weiß auf die selbstgestellte Frage keine Antwort, findet sie auch unterwegs nicht, der Fluss spricht ja eine Sprache, die nur Siddharta versteht, und so fragt der Reiseautor (so wie früher du in deinen Gedichten, hilflos, im Vertrauen auf die Macht der Wiederholung) am Ende noch einmal: „Ist der Fluss, an dem ich …“

Zum ersten Mal in einem Raum gelesen, in dem auch John Steinbeck und W. H. Auden lasen, Auden sogar kurz vor seinem Tod. Obwohl Auden strenggenommen nicht gestorben ist. Gestern Abend, gemeinsame Lesung mit Steinbeck und Auden!

Es gibt Städte, in denen waren schon alle, nur du nicht. Nur du scheinst sie nicht betreten zu sollen. Linz zum Beispiel! Linz im Nebel. Ich war nie in Linz. Wie lebt es sich wohl so in Linz? Ich werde nie in Linz gewesen sein. O Linz! (Linz, 27.1.)

„…
geblieben sind deine küsse dein gedicht
dein spiel mit masken burschikose zoten
habe zwar kein bild von deinem gesicht
aber spreche hier nicht mit einem toten“
Christoph W. Bauer, „nein catull so hast du nicht ausgesehen“

Im Brenner-Archiv, zum ersten Mal seit den 1986 aufgenommenen Besuchen in der Stadt. Trakls Zettel, für mich zentrale Äußerung, über sein „Gefühl in den Augenblicken totenähnlichen Seins“, mit dem Folgesatz „Alle Menschen sind der Liebe wert“ – ist, als „Textzeuge“, verschollen. Hat der Herausgeber des „Brenner“, dem Trakl den Zettel vor seiner Abreise an die Ostfront angeblich gab, das lose Blatt überhaupt je besessen? Oder hat von Ficker es erfunden, d.h. erdichtet? Ist es womöglich – wie Trakls Äußerungen in Karl Röcks Tagebüchern – überliefert aus der Erinnerung? Jedenfalls ist der Zettel so noch immer auch Teil des „totenähnlichen Seins“ – und mich stimmt das heute sehr unglücklich. (Innsbruck, 28.1.)

Ja: Vom Wasser ist man nie enttäuscht. (Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, 30.1.)

Ein bunt kostümierter Tubabläser geht mit seinem aufgeschnallten Instrument die Straße entlang, hält inne, zündet sich eine Fluppe an, setzt den Weg fort, unter dem golden im Mittag schimmernden Schalltrichter.

Slogan: „Verbrannte Hände gibt es nicht mehr!“

Richter, Verkundigung Gerhard Richter über seine Gemälde-Versuche „Verkündigung nach Tizian“ (1973): „Die Kopie misslang mir aber, und es entstanden so eher Bilder, die zeigten, dass das gar nicht mehr geht, nicht einmal als Kopie. Ich konnte alles nur noch auflösen und zeigen, dass es nicht mehr möglich ist.“

Abbildung oben: Tizian, „Verkündigung an Maria“ (um 1540),
Scuola Grande di San Rocco, Venedig