Endstation Robinson

Die beiden symmetrischen, sichtbar synchron entstandenen kreisrunden blauen Flecken auf den Oberarmen der jungen Frau in der Métro kenne ich genau: Die hatte ich jahrelang selber. Einer hält dich dort fest und drückt mit seinen Daumenkuppen zu, so kräftig er oder sie kann, rechts und links gleichzeitig. Damit du nicht wegkommst.

Im Labyrinth der Métrostationen ein Andrang, der einen um den Verstand bringt, wenn man nicht jede zweite Sekunde zu Boden blickt. Schreiende Werbung überall, in der die Bilder verbraucht werden. Kauf mich! Kauf mich! Überall, überall. Erbarmen! Zwei ältere Damen halfen dem Kind und mir, den Weg zu finden, eine erbarmte sich an der Bastille, eine andere an der Gare du Nord. Kilometerlange Schlangen vor allem, sobald es mit dem schmalsten Namen werben kann. Vier Stunden Wartezeit mittags vor den Katakomben. Der Eiffelturm eingekesselt. Das Lächeln der Mona Lisa so wie dein eigenes, das aber ohne Bestand ist: hinter Panzerglas und zwanzig Reihen Touristen, die sich nicht Leonardos Gemälde angucken, sondern Fotos machen, um ja keine Anwesenheit mit Sinn zu füllen. Montmartre, eine einzige Marter. Alls wäre das ganze Viertel abgetragen, Stein für Stein nach China verfrachtet und dort wieder aufgebaut worden. Foto, Foto, Foto. Bildermüll, Bildermüll. Müll in jedem Winkel. Gestank im Supermarkt. Unfassbar Fassade – wir verfallen bombastisch. Endstation Robinson. Und der allgemeine Wucher hält den Rest draußen: Sollen sie doch verkommen in Montreuil. (Paris, Marais, 22.6.)