Erst wieder in Belgrad

Zum ersten Mal hörte ich genauer zu, was – nein: wie eine Elster erzählt. Denn dass sie erzählt, daran kann kein Zweifel bestehen, außer vielleicht in den Erzählungen der Ornithologen; aber die zählen hier nicht, oder nicht mehr als alle anderen. Die Elster gurgelte, schackerte, kollerte, piepte, krächzte und sang, ja kurz flötete sie sogar. Und saß dabei allein, elsterseelenallein oben im kahlen Geäst – offenbar ein Selbstgespräch.

Jeden Donnerstag tritt der junge Hausmeister in den begrünten Innenhof und geht unter meinem Fenster vorbei wie der von seinen Aufgaben bekümmerte Tod.

Ein Tag grauer als der vorige, und der nächste, Wittgenstein zum Trotz, mit Sicherheit noch grauer, noch novembriger. Warum? Im Ernst: Weshalb dieses ewige Gleiche in der Hässlichkeit? Warum ist das Üble, das Zerstörerische und Bekümmernde beinahe stets das Vorherrschende? Denn wir alle wissen doch, wie lachhaft sie sind: der Tod und sein Kurier der Schmerz und alle seine Claqueure: die Niedergeschlagenheit, der Liebeskummer, der Stumpfsinn, die Verfemtheit, die Verzweiflung, die Mutlosigkeit, das Selbstmitleid, die Erbärmlichkeit und so weiter und immer so fort.

Im grauen Regen sehe ich eine schillernde Elster – dieselbe, die sich mit Selbstgesprächen die Zeit vertreibt? – an einer Backsteinhauswand sitzen. In der Vertikalen. Wie eine Fliege von der Größe einer Elster.

Handkes Verwandlung, sobald er anfängt, von Politik zu schwadronieren.

Das Kind zuckt zusammen, sobald das wilde Kind ins Haus gebrochen kommt. Das wilde Kind lacht, johlt, singt, brüllt, stampft und schreit, ob im Treppenhaus oder Keller, im Badezimmer oder Flur, wo es für gewöhnlich Fußball spielt. Das Kind blickt bestürzt zur Decke: Das wilde Kind ist zurück! Der Staub rieselt von den Wänden. Seine Mutter versucht das wilde Kind zu beschwichtigen, vergeblich. Vergeblich! Das wilde Kind heult gegen die Mauern an, bis sie sich öffnen werden oder bis das wilde Kind vergisst, weshalb es eine solche Wut in sich trägt. (Barmbek, 16.12.)

„Ich träume, dass eine Dame, die mir ins Gesicht blickt, sagt: ,Ich sehe, Sie waren bei dem Wettbewerb dabei, aber ich kann an Ihrem Gesicht nicht ablesen, ob sie gewonnen haben oder nicht.’“ John Cheever

Erinnere dich: an die Erzählung deiner Jugendliebe von ihrem jugoslawischen Onkel. Kurz bevor die Familie in Hamburg ins Auto stieg, sagte er ernst: „Jeder, der noch mal muss, der gehe jetzt! Denn ihr wisst, ich halte erst wieder in Belgrad.“