Fantastyka

Die wilde Gemeinde jubelt, alles tanzt im Kreis um die Altstadt, wieder und wieder, und gepanzert und bewaffnet, hirschkäferartig flankiert sie die Staatsmacht, Polizei, Einsatztruppen, Zivilfahnder und Späher vor Wasserwerfern, schwarz, vermummt, während die ausgelassenen jungen Leute Perücken tragen, halb nackt lachen, tanzen, jubeln, johlen, Regenbogenfähnchen schwenken und schenken, auch uns, mir, hinter Glas, hinter unsichtbarem Glas laufen wir, marschiere ich mit im Kreis durchs unheimliche Tal, von einem Geschäft zum nächsten, zu Boutiquen, Shops, Ständen, wir stehen an die Scheiben gepresst, staunen wieder und wieder, aber bestaunen nichts auf der Welt und nichts im Innern, laufen, kaufen bunt, vermummt im Kreis. (Wrocław, 9.10.19)

Vor dem Café Literatka die so bewegend singenden Hare-Krishna-Anhänger, wie Spiegel zu einem besseren Menschentum, durch die man hindurchgehen könnte.

Jetzt, mit Aufkommen der Androiden, beginnt zugleich die Androidenliebe. Es gibt keine Zeit ohne sie – die Liebe gehört zum Dasein wie die Bewegung.

Alles muss ins Schaufenster – alles scheint ins Schaufenster (passen) zu müssen.

Auch in Kopenhagen finde ich nichts wieder von den Erinnerungen in meinem Gemüt. Ab und an ein Straßenzug in Kongens Nytorv, der mich seltsam anrührt, ein Grenzwall im Rosengarten. Die Stadt stülpt sich nach außen, platzt vor Moderne und Akkuratesse, als hätte sie Angst, vergessen zu werden. Wo bist du, Reza Hosainzadeh, und du, Saed Hodapanah? Es ist Jahrzehnte her, dass wir uns auf einem Eiland im Kattegat begegnet sind und im Sommer darauf durch København liefen, über Strøget zum Runden Turm, durch Christiania hinaus nach Amager. Ich fahre nach Amager hinaus – zeige Dir, mein Herz, Christiania und die Erlöserkirche: Vor Frelsers Kirke.

Plötzlich laufen Töne einer Flöte durchs Haus – Flötentöne.

Jeden einzelnen Fahrgast der letzten 35 Jahre meint man dem alten, abgekämpften, wie ein Schäferhund schiefen Mercedes-Bus anzusehen, der altehrwürdig – die einzige Ehre, die mir statthaft erscheint –, vorbeirollt.

Der alte Mann auf dem Bürgersteig, mit einem Mal setzt er sich in Bewegung, hebt ab, schwebt und eilt im Laufschritt an dir vorbei.

Zwei junge Russinnen, beide hochschwanger, die Bäuche ballonartig, lachen und schwatzen, haben einander gefunden, und sind darüber glücklich – zu viert. Du meinst, die Ungeborenen in ihrem Lachen zu sehen. (25.10.)

Allein, allein der Reim, der Reim, / mit seinem schlechterdings abscheulich schönen Schleim, / kann es ja wohl nicht sein – was Sie, was wir, was ich hier meinen, mein, / Herr Rühmkorf, denn alle Dichtung wäre irgendwie Verpflichtung (und Vernichtung), / finden Sie nicht, Herr von Reimgedicht, / ein bloßes Reiten heim, in den Klang / vom Untergang, vom Abgesang, Herr ungestüm Parfümschorf?