Hvar

Die Kinder spielen vor dem zugesperrten, klinkenlosen Kirchenportal. Die Katzen schlafen im Park des Dichtersommerhauses, in dem verrostete weiße Gartenstühle stehen für eine Lesung vor Gespenstern. Auf den Steinstufen vor den leeren Altstadtboutiquen sitzen die Verkäuferinnen mit den Glitzerfingernägeln und lachen, weil niemand kommt. Der Wind bläst durch die Gassen seine drei Namen: „Die Bora!“, „Die Bura!“, „Der Boreas!“ Die Sprachen werden durch die Gassen getragen. (Hvar, 29.9.)

„Die Abwesenheit“ als eine von Peter Handkes zentralen Aussagen, eine Art heimliche Poetologie, ein „anschauliches Heim“: „Das Wahrnehmen blieb nie bloß äußerlich, sondern war jedesmal zugleich ein Innewerden, womit sich die Dinge als Farben, Formen und gegenseitige Beziehungen unvergeßbar in uns einschrieben und uns stärkten; die Sachen für sich, ohne dabei einen Gedanken ans Sammeln aufkommen zu lassen, erschienen uns als ein Wert: angesichts ihrer war es, als würden wir von etwas genesen. Wir waren voller Lust, sie zu umgreifen, zu betasten, zu messen und zu überliefern; verdiente nicht selbst ein unscheinbarer Grashalm bemerkt und wenigstens mit einem kleinen Ausruf weitergegeben zu werden? An unserem Entdeckertag war von ihm eine Neuigkeit abzulesen, welche uns, zusammen mit den ergänzenden anderen, jede nur denkbare Zeitung ersetzte.“ Und kurz darauf: „… an diesem Tag geschah mit dem Gehen und Immer-weiter-Gehen zugleich auch ein beständiges, unablässiges Ankommen.“

Hier haben die Todesanzeigen alle noch Gesichter: Hier sterben die Leute noch nicht einfach weg. Hier werden sie noch festgehalten, fest gehalten. Hier nimmt man den Tod noch nicht einfach hin.