Landgang, der dreizehnte

Auch der Cloppenburger Stadtpark war einmal ein Schlosspark. Doch ebenso wie Burg Delmenhorst ist die Cloppenburg vom Erdboden verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. 1716 brannte sie ab, nur der Burgturm blieb für fast 90 Jahre noch stehen, dann aber sprengten die Cloppenburger auch ihn in die Luft und erbauten dort, wo ein halbes Jahrtausend lang die Burg unter den Bäumen gestanden hatte, ihr neues Amtshaus. 1805. In Jena starb gerade Friedrich Schiller. Auch der verschwand und kam nicht mehr zurück. War Schiller je in Cloppenburg?

Dabei steht der Name Cloppenburg im ganzen Land für das Bewahren kaum zu bewahrender Zusammenhänge. Mit meiner mich bewahrenden Frau und den Kindern besuche ich das Museumsdorf, und alle sind wir überwältigt davon, wie spürbar mit einem Mal die Vergangenheit ist. In der Stein für Stein und Balken für Balken andernorts abgetragenen und in Cloppenburg wiedererrichteten Kappenwindmühle – die Mühle hat Flügel und hat eine Kappe, unterhalb derer sie rotieren – riecht es noch immer nach dem hunderte Jahre lang gemahlenen Getreide. In den Stütz- und Tragbalken der oberen Stockwerke entdecken wir eingeritzte Zeichen, Ziffern, Initialen, die ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Im Heuerhaus in der Nachbarschaft die winzigen Räume zum Essen, zum Schlafen in Alkoven, die die Körperwärme speicherten. Zwei Familien lebten in dem Häuschen zu ebener Erde, wie Zwillingsfamilien, symmetrisch angeordnete Modell- oder Ameisen- oder Roboterfamilien. Wie muss das gewesen sein? Die Kinder fragen nach den Kindern, die in den Häusern gelebt haben werden, den Kindern des Dorfes, das ein zusammengesetztes ist – so wie jedes Museum ein Baukasten. Verschwundene Kinder. Nur hat es sie wirklich gegeben, wir sehen ja die Einritzungen in den Tragbalken der Mühle, in den Pulten der Schule.

Eine absurde Ansammlung metallener Rieseninsekten, die Hässlichkeit des Nutzes, die unnütze Grimasse der Mühsal – Traktoren, Mähdrescher, Dreschmaschinen, Lokomobile und anderes Fuhrwerkzeug von vor hundert Jahren und länger her. Überhaupt erscheint ja in jedem Museum, das sich den Lebensweisen von früher widmet, jedes Gerät skurril, lachhaft, grotesk und absurd. Es mag zu etwas gut gewesen sein – dem Pflügen eines gartengroßen Feldes in nur drei Tagen, dem Quirlen eines Breis aus Getreide, dessen Name keiner mehr kennt, dem Fliegen mit einem papierbespannten Apparat, der dich dreißig Meter weit trägt oder umbringt. Versuchsanordnungen, die nur noch komisch, seltsam oder wie geträumt anmuten, die aber alle immer wieder zeigen, wie vergänglich alles ist: Nützt nichts – es ist vorbei.