Meine Saturn-Anrufe

„Code Is Poetry“ – der Slogan eines der wichtigsten Web-Providers (oder so) macht deutlich, wie vereinnahmt (die) Poesie bereits ist. Gibt es poetische Strukturen, die dem Zugriff durch die massenabhängigen Medien standhalten?

Dein eigentlicher Job: Beobachtung der Gerechtigkeitsgrenze. Im Ernst?

Nein. Aber „redundant“ ist eine prachtvolle Berufsbezeichnung! „Und Sie, was machen Sie so?“ – „Ich bin redundant.“ Oder für die Schnittigeren unter uns, die ja eher häufiger denn seltener werden: „Ich bin Redundant, versteht sich, Oberredundant!“

Der Freund sagt am Telefon, es gebe einen Hund dort in diesem Haus, der sei wie er.

Christian Saalberg nannte sich so nach seinem Lieblingsort in der Kindheit, dem niederschlesischen Saalberg, heute Zachełmie im westpolnischen Jelenia Góra. In seinem frühen Gedicht „Saalberger Sommer“ beschreibt Saalberg den Ort, lädt ihn sinnlich auf, verpuppt ihn in den Fäden seiner Erinnerung. Die vierte (und in der überarbeiteten Fassung letzte) Strophe des Gedichts schließt:

Hinter Wall und Staketen nistet
Unberührbar der Sommer, meine Geliebte,
Hütet mein Wort das Schweigen ein.
Weiß und immergrün steht das Haus,
Gesäumt von der strömenden Zeit,
Gelassen auf blättrigem Grund.
Saalberg. Das soll dein Name sein.

Wohlgemerkt, es ist nicht der Dichter, der sich selbst hier anspricht und seinem poetischen Ich den Namen des geliebten Ortes zuweist – vielmehr erhält der Ort den Namen, ganz so, als hätte er zuvor anders geheißen oder irgendwie heißen können. Dennoch – und hierin besteht Saalbergs hohe Kunst, die er über die folgenden Jahrzehnte immer weiter verfeinert – rücken Ort und Kind, Erinnertes und Dichter hier merklich zusammen. Die poetische Parabel biegt sich der Welt zu. – Benannt nach dem Lieblingsort in der Kindheit, wie würde dann ich heißen?

„Die Anerkennung meines Tuns, ein erstarrter See“, sagt der Freund.

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