Neueste Notizen zu Zlín

Václav Chad. Bild mit roter Pforte (1943)

Václav Chads 1943 gemaltes Doppelporträt „Obraz s červenou brankou“ („Bild mit roter Pforte“) haut mich um, als ich es heute in der Zlìner Regionalgalerie der Schönen Künste zum ersten Mal sehe. Ich will es nicht beschreiben. Aber muss es. Rechts sieht man einen sich gegenperspektivisch aufwärtsschwingenden Weg. Das Tor hat glatt gesägte Pfosten, aber einer, der den beiden jungen Männern in der Bildmitte nächste, hat eine rote Spitze.
Ich sehe in den beiden Gesichtern auf Anhieb alle Freundschaften wieder, die ich im Leben hatte und zum Teil zum Glück noch habe. Die Augen! Und im Hintergrund, vor einem Bauernhof vielleicht, vielleicht am Winken, ein zweites, aber verschwommenes Paar. Ich kann es nicht beschreiben. Eine Mann, eine Frau? Zwei Frauen, zwei Schwestern? Zwei Bäume, dazwischen die Tür. Ein Geländer zwischen den beiden Paaren. Das hellblaue Geländer ist die Vorstufe zur roten Pforte. Und die Bank da, rechts am Weg, der aufsteigt wie ein gewölbter Spiegel, die Bank ist leer.
Verzaubert bin ich vom Blau der Umhänge der beiden da Fliehenden. Das Bild stellt die Frage, wovor sie flüchten, und stellt sie mir. Aber das Politische ist immer eine Ausflucht. Chad malt 1943 die Innigkeit der beiden Freunde, die da weglaufen, zu recht, denn sie nehmen Reißaus vor dem Grauen.

Das kleine Mädchen im Büro ihres Vaters. Sie ist vertieft ins Tablet. Und wenn nicht, hüpft sie durch die Gegend mit Kurs auf ihren Vater, der beschäftigt ist. Damit sie weiterhin so in Sicherheit ist. Aber das weiß sie nicht.

The Black Atlantic – Reverence for fallen trees

In der Rotunde im Blumengarten von Kroměříž hängt eines von vier Foucault’schen Pendeln auf der Welt, aber dieses hier pendelt nicht, es hängt still wie ein vergessenes Ei von der Kuppel, und die Rotunde ist abgesehen von meinem Herz und mir menschenleer.

An der March kann man nicht mehr spazieren gehen, höchstens vielleicht nachts, wenn keine E-Biker halsbrecherisch durch das grüne Licht der Flusslandschaft brettern.

Das erste Wort, das ein fremder Zlíner zu mir sagte, kam aus dem Mund eines kleinen Jungen. An der Hand seines Vaters sagte er am Ufer der Dřevnice „Ahoi!“ zu mir.

Auf dem Brünner Freiheitsplatz verläuft ein Gedicht von Jan Skácel im Kreis um einen Brunnen. Keiner liest es, man würde es ja erkennen, er oder sie müsste langsam, wie ein Zeiger, um die runde Wasserfläche herumgehen, die Augen gesenkt auf die Verse, müsste sich Zeit nehmen für das Ticktack des Metrums dort im geduldigen Stein. Ich täte es, doch kann zwar die Wörter, nicht aber ihre Bedeutungen lesen.

Die hügeligen Felder rings um das Kriegerdenkmal der so genannten Dreikaiserschlacht von Austerlitz erscheinen mir noch 220 Jahre nach den Ereignissen vom 2. Dezember 1805 erfüllt von dem mörderischen Lärm. Im absurden Verlauf von rund siebenstündigen Kampfhandlungen starben an die 15.000 französische, österreichische und russische Soldaten, darunter zahlreiche Österreicher und Russen, nachdem Napoleon den Befehl gab, mit Kanonen die zugefrorenen Seen zu beschießen, über die hunderte gegnerische Soldaten zu fliehen versuchten. Der heutige Grabhügel des Friedens ist eine pompöse Verewigung des unmenschlichen Gemetzels. An keinen einzigen Getöteten – ausschließlich Männer, die meisten davon keine 25 Jahre alt – wird in irgendeiner Form persönlich erinnert. Namen tragen nur die Feldherrn, die Generäle und höheren Offiziere. Es war ein bis zwei Grad kalt an dem Tag.