Oldenburg

In Oldenburg in Oldenburg, wo ich heute las, und zwar aus einem Roman, in dem meinem im Juni 1944 mit 19 Jahren getöteten Großonkel, dem Lieblingsbruder meiner Großmutter, eine wichtige Rolle zukommt, in Oldenburg in Oldenburg, das stand mir heute seit langer Zeit wieder deutlich vor Augen, war ich Ende der Siebzigerjahre einige Male mit meiner Großmutter bei ihrem ältesten Bruder zu Gast. Schon damals sehr alt, bewohnte er ein Haus mit großem Garten, der sich bis hinunter zum Ufer der Hunte erstreckte. Sommererinnerungen. Das goldene Flimmern auf dem Gras, das hellbraune Wasser des durch die Wiesen schießenden Flusses. Ein Ruderboot an einem zum Grundstück gehörenden Steg. Und mein Bruder und ich, dreizehn, vierzehn Jahre alte Hemden, wie wir in die Hunte sprangen, ganz und gar furchtlos vermeintlich, gemeinsam mit anderen Kindern, Jungs und Mädchen, aus Oldenburg in Oldenburg, von denen mir nichts in Erinnerung blieb als ihre Gegenwart und ihr Jubeln. Schwimmen in der Hunte, sagte man heute zu mir, das müsse sehr, sehr lang her sein – verloren wie alle Tage und doch absolut wahr, besinnungslos machend und Furcht einflößend war die Kraft des Flusses, der mich davonzog, sodass ich minutenlang durch die Wiesen schoss und wie im Rausch der Angst standzuhalten versuchte. (Oldenburg, 5.1.2014)