Pünktlich wie der Perseidenregen

Sieben rote Löschflugzeuge kommen aus südlicher Richtung über die Durance und halten auf den schweren Waldbrand im äußerst östlichen Luberonausläufer zu. Vom Badesee aus sieht man den Qualm in kilometerhohen Pilzen in den Himmel steigen, schließlich auch die Flammen, die lodernden Bäume, auf die das Feuer springt. Wir schwimmen, und der Himmel über den Dörfern am Gebirgsrand färbt sich grau. Die Canadair-Flugzeuge sind rot, das Wasser, das sie abwerfen, wirkt aus der Ferne tropfengroß. (5.8.)

Mit den Schatten kommen die Vögel.

Die sogenannte „Tibet-Entdeckerin“ Alexandra David-Néel ließ sich nach ihrer 13 Jahre dauernden Rundreise durch den Fernen Osten in Digne-les-bains nieder, weil ihr Mann nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Fortan lebte Néel mit ihrem tibetischen Adoptivsohn in der Vallée des eaux froids, im Kaltwassertal zwischen den provençalischen Alpen und den im Sommer vertrockneten Flüssen Durance und Bléone. In Digne wurde sie 101 Jahre alt, machte mit 78 noch den Führerschein und ließ ihren Reisepass kurz vor ihrem Tod verlängern. Reisen bedeutet nach Alexandra David-Néel, den Tod kennenzulernen, ja ihn zu erlernen (apprendre le mort) – ganz in Hamlets Sinn: In der großen Fremde bereitest du dich vor auf die Reise in das Land, aus dem nie jemand wiederkehrt. (Digne-les-bains, 7.8.)

Der Schwindel auf der letzten Brücke über den Abgrund.

Die Grausamkeit auf der hochsommerlichen Terrasse! Auf dem Tisch unterm Feigenbaum liegt ein abgetrennter Wespenkopf, in den toten Augen keinerlei Erstaunen. Als aus dem Geräteschuppen eine Motte herausstürzt, wirft sich eine Wespe auf sie, zwingt sie zu Boden, und lähmt sie binnen eines Augenblicks. Zwei Hornissen beißen einander kreiselnd auf dem Beton so lange, bis eine ermattet aufgibt und verendet. Minuten später ist von ihrem Kadaver nichts mehr übrig. Die Ameisen feiern ein Hornissenfest. (Forcalquier, 15.8.)

Was du dir vorgenommen hast, bring zu Ende, zumal wenn es das Nichtscheitern ist – nur so wirst du nicht gescheitert sein.

Mit der Motorsäge gegen ein Hornissennest.

Noch immer pünktlich wie der Perseidenregen: die großen Sommergewitter Mitte August, Garanten, dass das Leben weitergeht.

Was wie ein fortwährendes Zusammenstoßen auf der Ameisenstraße anmutet, ist konsequenter Austausch: Jedes dem Hauptstrom entgegenrennende Tier hält für einen Sekundenbruchteil vor dem ersten in die andere Richtung krabbelnden inne und scheint etwas von ihm zu übernehmen – ein unsichtbares Etwas, eine Bestätigung, ein Kommando, ein Ameisenwort. (Volx, 16.8.)

Es gebe Augustgewitter, sagt mein Herz, die über dem Dorf kreisen und bis zu drei Mal wiederkehren, um ihren Regen abzuliefern.

„Der Tod hat dich uns genommen, aber nicht deine Lebensfreude“ – das in Stein gerahmte Foto auf dem Grab des 22-Jährigen zeigt ihn auf seiner Kawasaki.

Die todkranke Katze wird von Artgenossen und Menschen gemieden und meidet Katzen und Leute ebenso. Sie stirbt unter den Lebenden, wird achtsam toleriert und begleitet, bis sie fehlt und Erinnerung ist. (Banon, August.)