Reise durch die Schneeschmelze

Vielfach unterschätzt, beiseite gewischt und verspottet, zuschanden gelesen, dabei unverändert in sich ruhend, ein wirklicher Dichter, unabhängig, abhold jeder Manier und Fremdbestimmung: Jean-Louis Lebris de Kérouac, der sich Jack Kerouac nannte. Verkannt sogar von seinen Mitstreitern und Weggefährten. Ich las „On the Road“ mit Anfang 20 und habe noch immer das Kerouac-Gefühl im Herzen. Ich hörte die Go Betweens, ihre Hymne The House Jack Kerouac Built. Kerouacs „American Haikus“, die sich dem japanischen Korsett verweigern, würde ich gern übersetzen, aber kann es mir nicht leisten. Vielleicht grad deshalb sollte ich es machen!

Läuft auf dem Nachhauseweg
quer über den Bolzplatz,
der einsame Geschäftsmann

Vor der Pfarrkirche herrscht jeden Sonntagvormittag Parkplatznot.

Die Kinder, alle drei, die wilden Blumen, die umhertoben, die uns das Leben lebendig machen, haben am selben Tag Geburtstag wie Shakespeare und wie Cervantes. (23.4.)

Heute endlich einmal wieder mit deiner Lieblingsbaumreihe geskypt.

Noch Stunden nach dem Fotoshooting hing das Aftershave des Fotografen im Treppenhaus wie eine Duftwolke.

Als er sich zum ersten Mal – aus einer Laune heraus – das Stadtpalais, in dem er seit kurzem wohnte, von außen besah, fiel ihm das aufgemalte Barockfenster an der Seitenwand auf, hinter der er schlief.

In einem Schacht an einer Straßenecke der Altstadt plätschert es unablässig. Ein dutzend Stufen führen hinab zu dem aufgewühlten, schön perlenden Wasser, in das unter dem Pflaster hindurch ein Rohr läuft: der Bamberger Leschen-Brunnen, von 1554.

Aus der Brasserieküche dringt lautes Klatschen auf den Platz hinaus, an dem Hegel ein Jahr lang wohnte und im „Haus zum Krebs“ die „Phänomenologie des Geistes“ schrieb – der indonesische Pizzabäcker ist zurück.

Ulm. Reise durch die Schneeschmelze. (27.4.)

Immer ein besonderer Glanz (im Licht und auf dem Gemüt): Gras zwischen den Bahngleisen.