Responsibilty

Kalter Wind weht durchs Val Durance, das Durance-Tal. Die Schnecken des Frühjahrs wissen, dass sie sterben müssen (sie haben es mir gesagt) und verkriechen sich (um es hinauszuzögern, denn sie lieben es zu leben) bei gleißendem Licht im Schatten der alten Mauern, die ihnen mütterlich erscheinen.

Der Handwerker schmirgelt die Haustür ab, zum ersten Mal seit bestimmt 150 Jahren. Morgen soll die Tür gestrichen werden – Midouze-blau, so blau wie (nur) der Fluss Midouze in den Landes im Südwesten Frankreichs.

Der tanzende Vogel aus Moustiers, Wappentier zahlloser Abbildungen aus Moustiers-Sainte-Marie, er scheint um sein Leben zu tanzen, gelb-weiß-blassblau scheint er zu lächeln, scheint lächelnd aufzuflattern, lächelnd dahinzuschreiten, kranichartig, storchähnlich, scheint um die Dinge zu schreiten und zu tanzen – wie um sie unter allen Umständen zu bewahren.

Zwitschernd, flötend, trillernd, schreiend und kreischend am Vormittagshimmel die ersten Schwalben über dem Ort. (Volx, 1. Mai)

„Sonnenmilch ist für die Leute aus dem Norden, les gens du Nord, die Pariser.“

„Ich liebe dieses Insulin“, sagt mein Diabetologe.

Mohnblüte bei Mistral. Millionen Maiglöckchen.

Arbouretum – Coming out of the fog

46 Millionen US-50-Dollar-Banknoten wurden gedruckt und in Umlauf gebracht, auf denen im Wort RESPONSIBILITY das dritte i fehlt: RESPONSIBILTY. Verantwortlichkeit. Verantworlichkeit. Wer trägt dafür die Verantwortung? Ein Mitabeiter der Notebank wahrscheilich. Glücklicheweise ist ja so viele fehlehaft. (11.5.)

Chez Ollier – der Kellner, der Garçon des Lokals in Lourmarin, in dem Albert Camus seinen Apéritif zu trinken pflegte, nannte den Nobelpreisträger „Monsieur Terrace“, um ihn vor anderen Gästen nicht bloßzustellen. Camus’ Terrasse ist eine halbrunde und blickt auf das grüne, hügelige Hinterland in die Weite des Val Durance. Riesige lichtdurchflutete Linden stehen vor den Fenstern des von der schmalen Eingangsfront aus gesehen bescheiden wirkenden Hauses in einer Nebenstraße. Es mutet wie eine Festung im Idyll an, bewehrt von Zypressen links und rechts der Terrasse.

In Russland, in Moskau, ist ein notgelandetes Passagierflugzeug in Flammen aufgegangen, wobei 41 Menschen starben – weil „betuchtere Fluggäste“, wie es heißt, ihr Handgepäck retten wollten und dadurch die Fluchtwege versperrten.

Ob es wohl unter den Schwalben, die am Abend über den Häusern ihre Kreise ziehen in einem unauflösbar scheinenden Schwarm, einzelne Vögel gibt, die sich langweilen dabei, am liebsten ausbrechen, abseits für sich allein fliegen würden?

In jeder Favela halte ich mich lieber auf als in irgendeinem Flughafen.

Vom Aussterben bedroht: eine Million Tierarten.

Auf dem Weg zum Geldautomaten geht man noch am Friedhof vorbei.