Rien n’est jamais allé

Gewitternacht in Rolle am Genfersee. Das Silbertablett, auf dem Évian-les-bains herübergezittert kommt auf die Schweizer Seite. Dort, in Évian, versuchte ich 1983 reich zu werden, indem ich, kaum achtzehn, in die Spielbank ging und drei Mal 50 Mark auf Rouge setzte, ohne Erfolg. Ein alter Rezeptionist gab mir damals einen Lederschlips, da er mich ohne Krawatte nicht einlassen könne. Die Nacht seinerzeit, wo verbrachte ich die? Am Seeufer, unter den Sternen? Rien ne va plus. Rien n’est jamais allé. Nichts ist jemals gegangen.
In Rolle warte ich am Seeufer auf Godard. Aber er kommt nicht an diesem Vormittag.

Mit großen runden dunklen Augen glotzt die Dorfjugend in die Welt hinein. Von ihnen war einer auch ich. Der Semmelgeruch. Die Süßigkeiten in der Bäckerei. Die Bäckerei als Herz des Dorfs. Die Hirnwurst in der Auslage des Metzgers, des Schlachters, dessen Sohn zu meinen besten Freunden zählte. Die Buben verstecken sich in den Johannisbeerbüschen. (Irsee, 30.7.)

An der alten Klostermauer entlang hinunter zum Brunnen vor der Kirche. Ein Kieselweg. Der Kieselweg voller Nacktschnecken, zu denen wir früher Pferdeschnecken sagten. Wir?

Drei Sonnenblumen in der Vase im Treppenhaus verlieren ihre Pollen – wie die Birnen eines Birnbaums liegen die gelben Körnchen kreisförmig unter den Blumen, den Bäumen, den Sonnen (31.7.)

Das Leopardenmuster aus Regenflecken auf dem gewachsten Terrassengeländer.

Die Verhändikäppierung!

Am frühen Morgen trittst du aus dem Haus im Oberdorf (wie in deiner ferngerückten Kindheit) und erblickst auf der ersten Hauswand das Schattenspiel des Baums davor: Blätter und Zweige als Fische und Wellengekräusel. Dann im Bach hinunter ins untere Dorf (wie in deiner unvergessenen Kindheit) – die stillstehenden Forellen. Flitzen weg mit rotem Bauch, bachauf, biegen ab, in den Nebenbach. Das Licht spielt auf dem Wasser. (Irsee, 1.8.)