Rostock

Begrüßungstafel am Rostocker Hauptbahnhof: „Wissen Sie eigentlich, wo Sie sind?“ – Nein, weiß ich nicht. Hab ich noch nie gewusst, nirgends. Aber danke für die Frage.

Hoch oben im Turmhelm der St. Petri-Kirche erzählt ein alter Herr, geboren 1935, von der Bombardierung Rostocks. Die Stadt als leuchtende Fackel in der Nacht. Das Schlagen im Erdboden bei kilometerweit entfernten Detonationen. Seine greisen Augen sind einwärtsgekehrt, und trotz seines Barts wirkt er wie ein kleiner Junge.

„Rostocker Verse“, fällt mir oben in dem Turm plötzlich wieder ein, sollte 1988 eine meiner ersten Gedichtsammlungen heißen – warum?

Das Ticken der uralten Weltuhr, der Andrang gedämpfter Geräusche und Klänge von drinnen und draußen, fast ein Geklopf, die Bilder, die Musik, der feuchte Stein- und Zeitgeruch. Walter Kempowski nennt die St. Marienkirche den Uterus, aus dem er komme. (Rostock, 7.1.)