Schreiben ist gut

Das schöne Wort „notwendig“, kein Synonym, eher die Adverbialform, die handelnde Fortentwicklung von „nötig“: Nötig ist etwas der Not, dem Mangel Geschuldetes, notwendig das, was die Not, das Fehlende umdeutet, es vielleicht um- und zum Guten wendet. Auswendig weiß ich das nach außen gekehrte Verinnerlichte.

Als der Kaufmann Kamaswami in Hesses „Siddharta“ dessen Schreibkünste prüfen will, schreibt der junge Brahmanensohn für ihn: „Schreiben ist gut, Denken ist besser. Klugheit ist gut, Geduld ist besser.“

Was das Gedicht ausmacht, ist nicht das Gedicht, sondern das Schreiben des Gedichts, das Erlebnis des Schreibens dieses Gedichts. Das Miterleben dieses Erlebnisses macht das Gedicht wahrhaftig auch für den Leser. Klopstock, Hölderlin, Trakl, Bobrowski, Bachmann, Celan, Brinkmann, Kling – ihre besten Gedichte erlebst du mit, erlebst du nach, während sie entstanden, während sie entstehen. Sie sind lebendige Überlieferung.

In München, in Schwabing, in der Seidlvilla am Nikolaiplatz, fiel mir, während ich von meinem Roman erzählte, plötzlich wieder ein, wie ich als Fünfjähriger, als Bub, Lesen lernte am Stachus: Die Leuchtreklamen auf den Häuserdächern konnte ich mit einem Mal entziffern, und ich verstand: Magirus! Mercedes! Süddeutsche! Zeitung! Erwachen in der Fremde. (München, 19.3.)

Und das Übersetzen, dachte ich dann: Kommt es bei dir nicht vielleicht doch von deiner seltsamen Zweisprachigkeit? Daheim hatte ich hochdeutsch zu sprechen, in der Schule und auf der Straße, im Dorf, im Wald, auf den Feldern und in den Gärten und den Gefährten hinter den Tankstellen aber redeten wir breit und leidenschaftlich bayrisch. Schee issas. Schee da Woid, schee des Gros. Ich erinnere mich an einen Lageplan unserer Banden, den ich zeichnete und der den Wald zwischen Waakirchen und Schaftlach kennzeichnete mit dem Namen „Woid“. Das klang genauso wie das englische „void“, die Leere. Ich muss, vorm Münchener Hauptbahnhof stehend, nur ein paar Brocken Bayrisch hören – „Mongdratzer“ –, und ich merke, wie in mir die ältesten Übersetzungsübungen meines uralten Kindergemüts wach werden und wieder lebendig.