Deine Augen büßen täglich an Schärfe ein. Wenn du „Blässhuhn“ schreiben willst und glaubst, „Blässhuhn“ geschrieben zu haben, liest du neunmal darüber hinweg und liest immer „Blässhuhn“, erst beim zehnten, elften Mal fällt dir auf, dass da „Blässhhn“ steht.
Was heißt das für die Welt? Was, wenn vor deinen Augen ein Blässhuhn vorbeischwimmt? Erkennst du den Vogel, siehst du ihn weniger, fehlt ihm ein Stück? „Da, ein Tier. Was ist das für eins?“ – „Ist das nicht ein Blässhuhn?“ – „Ein was?“ – „Ein Blässhuhn.“ – „Weil es verblasst?“
Während die Autos vorüberrasen, geht eine Alte am Arm ihrer Tochter – oder Enkelin? – so langsam wie der Atem des Sommers über den Parkplatz der Autobahnraststätte. (Bei Grenoble, 29.7.)
„Je veux du chantilly, je veux du chantilly!“, schreit im Supermarkt das Kind, unaufhörlich. „Ich will Schlagsahne, ich will Schlagsahne!“
„Die Ameisen waren schon immer da“, sagt mein Herz.
Mit bloßen Händen fängt das russische Mädchen ein Blässhuhn – für ein Selfie mit Blässhuhn.
Wie der Oleander, der von früh bis spät in der Hitze am Rand des bekieselten Parkplatzes steht – und der dabei rosig bis tief rot blüht –, so musst du versuchen, das Leben zu meistern. Die Unbilden durchblühen. (Volx, 1.8.)