Some things about death

Der Verdacht liegt nahe, dass jedes Gedicht, jedes literarische Partikel, ein Stück Welt mehr ins Virtuelle hineinexpediert. Der Verdacht liegt nahe, dass du deshalb das Schreiben sein lassen solltest – um dir nicht selbst die Wirklichkeit zu entziehen. Aber – du tust es nicht. Wieso tust du’s nicht? (25.1.)

„Wie zäh man daran festhält, am Leben der anderen, so zäh wie am eigenen, es ist kein Unterschied.“ Canetti

Handke schreibt: „Kafka ist nicht gestorben“ – eine der wenigen seiner Äußerungen zum Tod.

Schön, wenngleich nach Canetti-Art eitel und selbstbezogen, was er über die Aborigines – welche? – schreibt: „Die Australier also, diese Steinzeit-Menschen, glauben an eine ewige Traumzeit, aus der sie kommen und in die sie wieder gehen. Es ist seither nichts dazugekommen; es ist nur weggenommen worden. Ihr Glaube ist der höchste; der einzige, den ich manchmal teile; wäre ich ein Australier, ich hätte ihn immer. Aber da ich das zweifelhafte Glück habe, ein moderner Mensch zu sein und in London lebe, habe ich ihn meistens nicht; und nur soweit ich ein Dichter bin, bin ich noch ein Australier.“

Ich denke auch: Der Tod ist nicht nur ungerecht, er ist ebenso Unrecht, da kein Recht existiert, auf das er sich begründen ließe. Daher ist Aufbegehren gegen den Tod Pflicht zum Widerstand. Canetti: „Ich anerkenne keinen Tod. So sind mir alle, die gestorben sind, rechtens noch lebendig, nicht weil sie Forderungen an mich haben, nicht weil ich sie fürchte, nicht weil ich meinen könnte, daß etwas von ihnen noch wirklich lebt, sondern weil sie nie hätten sterben dürfen. Alles Sterben bis jetzt war ein vieltausendfacher Justizmord, den ich nicht legalisieren kann.“ Das ist es, was Simone de Beauvoir schrieb: Jeder Tod sei ein unverschuldeter, ein unschuldig erduldeter Gewaltakt.

Buddha und Ananda. Der Meister sieht sein Leben in die Hand des Schülers gelegt. Da er erkennt, dass Anandas Liebe zu ihm Grenzen hat, beschließt Buddha zu sterben. Es ist die Liebe, die am Leben erhält. Alter Verdacht: Du stirbst, sobald du nicht liebst, sobald du nicht geliebt wirst. (Wien, 26.1.)

Überall, allenthalben, suchst du nach Zeichen wirklicheren Lebens. Ist die Suche dieses Leben, und ist sie ein Hinweis darauf?