Taifunika

Gestern, im Süden, der erste sonnige Sommernachmittag. Da war sie wieder: meine Stille. Die Stille der Wärme, in der die Vögel nicht mehr hineilen, sondern gaukeln. Und allenthalben, halb hier, halb da, überall bloß halb, die wundervollen Insekten, die Ameisen Zentauren in ihrer Drachenwelt. Dann war es mit einem Mal da und zu sehen: das Flimmern, drüben auf dem Feld, auf halbem Weg zwischen uns und den Bäumen. Duft überall. Die Sonne im Gras. Das schöne Gesicht der Sonne. (28.5.)

Im Ernst: die vier Töpfe mit Spanischem Gras, die seit Jahren unverändert auf demselben Fleck hinter den Sichtschutzgardinen im Treppenhaus so vor sich hinleben – sind sie nicht wie ich? Zum Weinen. Zum Schreien! Zum Lachen. Sind mehr da, als dass sie leben. Aber bedeuten doch in jedem Augenblick: Nein. Wir leben. Was denn, bitte, sonst.

„Einen Haushalt mit Kindern zu führen“, sagt sie, „das ist wie mit Nutella sich die Zähne zu putzen“, und sie lacht.

Und das Kind sagt: „In unserer Klasse geben wir uns allen Spitznamen nach Naturextremen.“ – „Ach ja? Und wie heißt du?“ – „Taifunika.“

Hast du die Hände der jungen Frau gesehen, heute Abend, in der U-Bahn? Sie waren zerschunden, rotfleckig, zerkratzt, schorfig, wund. Und sie erzählte, lachte, strich nur ab und an darüber.

Und auf der durchgehenden Sitzbank im selben Waggon, da schlief einer, lang ausgestreckt über vier Plätze. Im Anzug. Mit Turnschuhen an den Füßen, die waren voller Schlamm.