Versagistan

Das Beste, was du nach dem Ende einer 29 Jahre währenden Freundschaft erwarten kannst, ist nicht Aufrichtigkeit, sondern Abwesenheit. Jedes kolportierte Wort zeugt von Lüge und Missgunst, Vorurteil und Dünkel. Hör nicht hin! Bleib deinem Glauben treu, dass was so lange andauerte wirklich Freundschaft war und nicht einseitig.

Nach meiner Lesung aus „Wie wir verschwinden“ kommt eine sehr alte Dame am Arm ihrer Tochter zu mir und erzählt vom 5. Januar 1960 – als sie morgens im Klassenzimmer saß und ein Mitschüler hereinplatzte und rief: „Camus ist tot!“ (Darmstadt, 12.11.)

Die obere Donau bei Sigmaringen, von unbegreiflichem Dunkelgrün.

Meine Jugend – ein Witz. Die Liebe in den Zeiten der Kohl-Ära.

Am Mittag über Sonnenbühl gefahren, Sonne und Nebel, blassgrün, blassbraun und blassrötlich die Herbstfarben auf der Wacholderheide. Ein großer Dunst.

Der Ort Killer, dessen Ortsschilder alle drei, vier Monate in der Nacht abgeschraubt und weggetragen werden von „Sammlern“.

Von wem er gelernt habe, die Welt zu hinterfragen, wird der Regisseur gefragt, und er antwortet ohne Zögern: „Sicherlich von meinem Vater!“ Von wem also hast du das Welthinterfragen gelernt? Gar nicht? Ist es deshalb, weil keiner da war, eher ein Zweifeln, sogar eine Verleugnung, wie bei Gryphius, der Welt? (17.11.)

„Versagistan“, sagt das Kind und zitiert damit seine Mutter. „Dein Vater, weißt du, der arbeitet in Versagistan.“