Von Jiggel nach Bergen

Gegenüber wohnt Käpt’n Ahab.

„Nemo“, sagt das Kind, „das kommt von ,niemand‘. Käpt’n Nemo wollte niemand sein, deshalb lebte er in seinem Unterseeboot unter dem Eis.“ – Ich erwidere, dass Nemo meines Wissens so heißt, weil sein Name nach Mnemosyne klingen sollte, nach Mnemotechnik usf., also nach dem altgriechischen Begriff für Erinnerung. „Es geht um ein wirkliches Erinnern!“ – „Glaub ich nicht“, erwidert das Kind, das immer klüger wird. „Oder um beides: Niemand erinnert sich. Niemand wirklich.“

Ein Löschzug wässert den Rasen des Fußballplatzes. (Bergen an der Dumme, 26.6.)

500 Jahre alt, die Wassermühle von Jiggel, aber nichts von allem Leben, aller Lebendigkeit, die stattgefunden haben muss an dem wendländischen Bach, der bis 1990 deutsch-deutscher Grenzbach war, ist noch zu erkennen. Du musst dir alles vorstellen.

Die uralte Kirschbaumallee, die Bäume voller Süßkirschen, zwischen Jiggel und Bergen. Jahrhunderte lang kamen hier die Landarbeiter herauf, und gegen ein Entgelt konnten sie sich Kirschen pflücken. Leere. Gespensternachmittag. Ein Reh schrickt auf, das Maul noch voller Kirschenmus, und flüchtet sich ins Roggenfeld.

In Meuchefitz das TAGUNGSHAUS DES WIDERSTANDS, daran flattert schlapp die Sonnenfahne der Republik Wendland. Und gegenüber, an der Scheune voller Sonnenkollektoren, das schöne Plakat: LIEBER WÜTEND ALS TRAURIG.

Der kleine Hund zieht gewaltig an seiner (verhassten) Leine – und gerät dabei so sehr in Schieflage, als würde er kentern. Hat er zuviel Kraft, oder macht das der Wind?

Van Morrison – Astral Weeks

Fotos: Kreuz, Clenze (1); Hohlweg bei Jiggel (2); Roggen, Bergen (3)