Willkommen auf den künstlichen Plätzen

Die Forschung, heißt es, werde verstärkt auf KI setzen, künstliche Intelligenz. (Gibt es überhaupt andere als künstliche?) So hoffe man etwa, den Sprachen der Tiere auf die Schliche zu kommen. Denn mit einem Tier unterhalten habe sich noch kein Mensch. (Ich schon.) Zum Beispiel Fledermäuse! Die namenlose us-amerikanische Forscherin sagt, sie beabsichtige, „bat“ zu lernen, d.h. die Fledermaussprache: Möglichst große Computer (Rechner, wie man eigentlich auch im Deutschen endlich sagen sollte) sollen möglichst große Mengen von Fledermaustonaufnahmen auswerten, nach Mustern (Algorithmen) durchsuchen und darin eine Grammatik und Syntax der Fledermäuse erkennen und schließlich nachbilden, denn Ziel des Ganzen sei nicht Erkenntnis (Erkenntnis der Fledermäuse), sondern Austausch – Austausch mit Fledermäusen. (Im Französischen l’ordinateur, „l’ordi“ genannt, Lordy, der kleine Gott Computer – Compi – oder Rechner – Rechi –, gut eingebettet, ja verlötet zwischen „ordinaire“ und „ordination“, „gewöhnlich“ und „Weihe“.)

DALL.E versetzt mich in Erstaunen – und damit an die Grenzen des Erstaunens, dem ja zu keiner Zeit zu trauen ist. DALL.E sei „eine 12-Milliarden-Parameter-Trainingsversion des GPT-3-Transformatormodells, das die Grundlage (bildet, sic!) für eine Vielzahl von KI-Textgenerator-Software(s, sic!)(,)(und, sic!) die dir hilft, Artikel zu erstellen, die in Suchmaschinen gut platziert sind.“
Hier allerdings – im Gras – sollen keine Artikel erstellt werden, die in Suchmaschinen gut platziert sind. Der Name des KI-Transformationsprogramms DALL.E ist ein so genanntes „Kofferwort“ und verbindet die E-Roboterfigur WALL.E aus dem gleichnamigen Pixar-Disney-Animationsfilm von 2008 mit dem Namen des spanischen Surrealisten Salvador Dalí (1904–1989), Erfinder u. a. der zerfließenden Uhr und brennenden Giraffe. WAll-E + Dalí = DALL.E. Das Programm transformiert Textpassagen und semantische Schnipsel zu (wie es scheint) selbst kreierten Bildern, indem es die von auswärts eingegebenen Informationen interpretiert, verarbeitet und umsetzt. DALL.E errechnet darüber hinaus ein bildliches Umfeld, eine Art Bild-Hof um die erhaltenen Bildinformationen und setzt – wenn gewünscht – auch diese als Bild oder Bildergänzung um. So entsteht etwa ein Zimmer zu Vermeers Zeiten nach den Informationen, die DALL.E zur Verfügung stehen, das Zimmer nicht der „Briefleserin“, die (und das) Vermeer gemalt hat, sondern das „man“ sich vorstellt – nein, das man sich vorstellen lässt von einem mit 15 Milliarden Bildinformationen gefütterten Text-Bild-Transformationsprogramm.
Als mich mein Sohn auf die inzwischen erweiterte Version DALL.E2 aufmerksam machte, bat ich ihn, das Covermotiv eines meiner Lieblingsalben in das Programm einzugeben und nach Variationen von Betty Swanwicks Gestaltung für „Selling England by the Pound“ von Genesis aus dem Jahr 1973 zu fragen, „painted in the style of Betty Swanwicks album cover image of“ usw.
Unmittelbar deutlich wird anhand der nicht dargestellten, sondern weitergeführten Figuren und Gestalten in dem englischen Garten oder Park (auch der Hecke mit deren seltsamen Innenleben), dass DALL.E Menschen oder menschliche Züge offenbar nicht erkennt – zumindest nicht als etwas Besonderes oder Hervorzuhebendes. Alles ist für es, ihn oder sie Form (und damit form- und verformbar). Umso erstaunter bin ich von der Wesenhaftigkeit der Variationen, von der Weiterführung bestimmter Motive und vermeintlich darin dargelegter Erzählungen, insbesondere aber von der Traum- oder Albtraumartigkeit der Bilder, deren Figuren und Gegenstände mir wie Halbmenschen und Halbdinge, wie gefangen in einer Vorstellungs- oder Einbildungskraft ohne Möglichkeit zu Ausgängen und geistigen Ausprägungen erscheinen.