Die Einsamkeitsvereinbarung

„Die Einsamkeitsvereinbarung“, sagt im Radio eine Psychologin, und ich schalte das Gerät aus.

„Mercurochrome“ – den Begriff kannte ich nur aus einem Songtext von Christine and the Queens, lese ihn aber jetzt als Name von Pailletten auf einer französischen Paillettenpackung. Quecksilber oder Chrom, dachte ich stets, wenn ich das Lied hörte. Aber nun … die Pailletten. Quecksilber und Chrom. Oder der Anschein von beidem. Schönheit, schön.

Bittere Wahrheit im fortschreitenden Alter: Du musst alles augenblicklich notieren, was dir durch den Sinn geht, zwei Minuten später ist es verschwunden im Orkus der Vergesslichkeit.

Unerklärliche weiße Lichtflecken im Wasser der Warnau, die braungolden war. (Walsrode, 16.6.)

Ein großer Roman, wäre er nicht von mir: „Seeland Schneeland“.

Die Blumen schlafen, ich glaube, sie sind glücklich.

Vergesslichkeit ist doch eigentlich Reizüberflutung. Sie ist die Fortschreibung der Zerstreutheit. Und zerstreuen können mein Denken einzig Erinnerungen. Wellen auf dem See Genezareth, der auch See Gedächtnis heißen könnte.

Jedes Buch, das du schreiben willst, musst du zunächst träumen.

Als ich die Zigarettenkippe aus dem dritten Stock werfe, geht unten auf dem nächtlichen Parkplatz der Bewegungsmelder an. (Frankfurt, Main, 6.7.)

Das Erschütterndste in Charleville: Alles bei Rimbaud ist Architektur. Sein ganzes Leben lässt sich architektonisch erhellen. Am alten Quai de Madeleine, der inzwischen natürlich Quai Rimbaud heißt, führt das Treppenhaus heute direkt hinauf in die Familienwohnung, jetzt ein Museum. Zu seiner Zeit aber ging Arthur durch einen engen Flur erst in den Innenhof und von dort eine schmale Stiege hinauf in die Wohnung der Mutter, die er Schattenmund nannte, bouche d’ombre oder le crocodile. Flur, Innenhof und Stiege gibt es noch. Die Zimmer sind dieselben. Der Weg dazwischen aber ist zugemauert, unterbrochen. (Charleville, 10. Juli)

Nach der zweistündigen Fahrt über die nächtlichen Berge sehe ich von einem dunklen Parkplatz aus zum ersten Mal das Sternbild des Skorpion am Firmament stehen. Den Kopf, den Stachelschwanz, darunter, erleuchtet, die Festung von Sisteron. (14.7.)

Ein junges Mädchen, lächelnd Trisomiemensch, möchte mir am Eingang zur Kirche Saint Firmin unbedingt – ja, unbedingt: ohne an Anderes dabei zu denken – die Hand schütteln. Fest glaubt das Kind daran, dass wir einander gleich begrüßen. Und es behält unbedingt recht. (Gordes, 17.7.24)

„Der Schlüssel ist heilig, über 130 Jahre alt“, sagt mein Herz.