Erinnerung, Erinnye

Erinnerung: als wollte etwas nicht verbrennen, wenn das Gedächtnismeer
in Flammen steht. Als wäre mein Vater ein Brandschiff, die Decks voll Dynamit, und meine Mutter gießt in jede erste Schenke ihr Benzin. Wohin ich fahre, ist der Hafen immer Schutt und Asche lang, verbrannt im aller-
wundergelbsten Sonnenuntergang. Erinnye.

Erinnerung: ich kaute Fingernägel, dabei aber eigentlich Gedanken. Ich hatte nachts nicht bloß die Angst, ich hatte allen Grund, mir vorzustellen, vor dem Bett, in meinem Rücken, steht ein Mann. Und wenn ich mitten am Tag vor mir wieder den Brennenden sah, wusste ich immer schon lange Zeit vorher, wann es geschah. Erinnye.

Erinnerung: als ginge kurz nach Mitternacht die Sonne auf. Wir fuhren mit dem Käfer langsam auf den Unfall zu. A 7, Wagen brannten, nichts war abgesperrt, und in dem einen sitzt am Steuer einer und verbrennt. Und meine Mutter sagte in dem Hitzeschein: Du siehst da gar nicht hin, du siehst nur mich und was ich bin. Erinnye.

Das ewige Hinfallen und Zubodenstürzenmüssen

Was Amy Lowell in ihrer Biografie von John Keats’ Leben schreibt, dass er nämlich „von so großer Empfindsamkeit“ gewesen sei, „dass er den Schmerz mit Händen hätte berühren können“, beeindruckte Albert Camus so sehr, dass er den Satz im Herbst 1949 in seinem Tagebuch zitiert – nur daher kenne ich ihn. Und hielt und halte ihn seither für ein bewegendes, unmittelbar ergreifendes poetisches Bild. In Nicolas Borns Roman „Die Fälschung“, vollendet kurz vor Borns Tod 1979, finde ich eine mögliche Aufschlüsselung; über die Erzählerfigur Laschen, Kriegsreporter im libanesischen Bürgerkrieg, heißt es: „Kein Mensch konnte ja mehr mit ihm vergleichbar sein. Wer hier getroffen fiel, sich an die Erde klammerte, konnte, solange er selber nicht derjenige war, nicht sein wie er. Er erinnerte sich aber ziemlich genau, daß er früher als Kind jeden Schmerz eines anderen als einen ganz nahen, annähernd eigenen empfunden hatte.“

The Waterboys – In a speacial place: The piano demos for This is the sea

Spiegelung: Die Mülltonnen stehen nicht vor dem parkenden Wagen, sondern darin.

Die besseren Zeiten haben längst begonnen.

The Waterboys – The Waterboys

Vor mir her ging ein Mann mit so laut quietschenden Schuhen, dass es sich wie die Türen eines alten Eichenschranks anhörte. Immer wieder blieb er stehen und blickte zu Boden. (Hoheluft, 15.12.)

OMD – Architecture & Morality

Auf einer überfrorenen Wasserpfütze am Straßenrand tanzen ein junger Mann und eine junge Frau umeinander herum und küssen sich immer wieder. Erster Weihnachtsfeiertag.

The Waterboys – Fisherman’s blues

„Auf der Straße hatte er Lust, in die Ereignisse hineinzupöbeln.“ Wilhelm Genazino, „Abschaffel“

Das ewige Hinfallen und Zubodenstürzenmüssen der Gegenstände. Diese unfreiwillig komische Liebedienerei um die Gunst der Schwerkraft.

The Transmissionary Six – Radar

Das Kind kreist um sich selbst und verurteilt alle, die es auf seinem Orbit stören.

Du glaubst, die Welt in dich aufzunehmen, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Welt verändert sich, auch durch dich. (9.1.22)

The Gun Club – Miami
The Gun Club – Lucky Jim

Auf dem Dach des neuen Fahrradunterstandes wurden Moose und Flechten angepflanzt und halb verrottete Birkenstämme ausgelegt, um das Miniaturbiotop abzurunden. Von oben betrachtet, aus dem Zugfenster, ist der Neubau Ruine.

Das weinende kleine Mädchen hinter dem Kindergartenzaun ist seit 55 Jahren dasselbe. (Jarrestadt, 11.1.)