Nach einer Runde um die Sonne. Gedicht

An den offen stehenden Fenstern
  des Hotels Goldener Oktober,
gegenüber Kohlenmonoxidbirken
  und zwischen Schulflachbau,
Fernsehturmspitze und Sternen,
  ist da noch immer dieser Kern
an einem Abend anscheinend
  lebensvoll, nur völlig stumm,
auf dem Weg durch eine Nacht
  nach einer Runde um die Sonne.

Inmitten simulierten Miteinanders
  pulsen da weiter Golgi-Apparat,
endoplasmatisches Retikulum,
  Auffaltung, Instandhaltung
eines Tons und innigen Rests
  beständig vertrauter Stimme
im Birkenblättergerassel und
  blassen bleibenden Funkeln
auf dem Weg durch eine Nacht
  nach einer Runde um die Sonne.

Nach einer Runde um die Sonne

Der einzige Gin, der Schmerzen lindert: Novalgin.

Stundenlang harkt der Nachbar ein unsichtbares Muster in den Kies vor seinem Haus. Ich denke an meinen Vater, der seinen Söhnen die Strafarbeit aufbrummte, in den Sandstreifen vorm Haus dieselben Linien zu harken, mit denen meine Mutter beim Staubsaugen die Teppiche verzierte.

Sobald das Angelusläuten einsetzte, nahm sie den Enkel bei der Hand und zog ihn mit sich auf die Terrasse, um gemeinsam mit dem Kind hinauf zur Kirche zu blicken – so lange, bis die hin und her schwingende Glocke wieder verstummt war … und länger: bis sie erneut stillstand oben in ihrem Turm. (Volx, 8.10.)

Die Slogans werden poetischer, nein absurder in ihrer simulierten Poesie: „Gemeinsam erreichen wir nichts“, „Kann ich etwas begreifen, das so lange zurückliegt?“

Auf dem Bürgersteig liegt im Regen ein roter Bleistift. (Hoheluft, 21.10.)

The Waterboys – Book of lightning
The Waterboys – This is the sea
The Waterboys – A pagan place

Schreib ein Gedicht: „Nach einer Runde um die Sonne“

Wenn ich vor meiner Regalwand stehe, spüre ich die Wärme der Bücher, ihr Vibrieren, ihre Hitze, ihre unbändige gesammelte Ungeduld.

Filmset unter der Hochbahnbrücke: Maske, Catering und da – ein Schauspieler, erkennbar an seinem Gang. Ich gehe hinaus, ich laufe davon, einkaufen, vielleicht gleich ein ganzes Leben kaufen, ich fühle mich noch mehrere Straßen weit entfernt wie ein Statist in einem Film, der nicht gedreht werden wird.

Für jedes meiner Sockenpaare hege ich innige Gefühle – weil sie mir vertraut oder weil sie Paare sind?

Und manchmal rollt, wie ein E-Leichenwagen, ein Moia-Mobil vorbei.

Aus den Übersetzungen

Emma Lew

Durchrütteln der Formen

Ich wollte meine Ehe auflösen, die Grenzen sprengen,
es gut haben, Vergessen finden, alles in Höhlen,
auf einem Walfänger, an hundert anderen Orten.

Durchtriebene Träume im bedrohlichen Kopf,
zog ich los durch die hinplätschernden Wellen:
Ich wollte meine Ehe auflösen, die Grenzen sprengen!

Hinter mir Wasserfälle, vertane Zeit und die ersten Keuschheiten
    zur Verunstaltung der Küste,
setzten mich wehrlose Männer in Brand
auf einem Walfänger, an hundert anderen Orten.

Nein, gar nicht mich, sondern mein Double, mein Ebenbild;
nicht jemanden, sondern jeden mit einer Art Cape und Kapuze –
ich wollte meine Ehe auflösen, die Grenzen sprengen.

Ich bin so was wie eine Guillotine! Bin nicht grenzenlos Kummer!
Wie nackt wirkt die Erzählung! Und nichts! Und nichts und nichts
    und nichts …
auf einem Walfänger, an hundert anderen Orten!

Könntest du mich nur sehen, wie ich weiter und weiter eile,
stammelnd wie ein Heiliger in der Weite der Felder!
Ich wollte meine Ehe auflösen, die Grenzen sprengen
auf einem Walfänger, an hundert anderen Orten.

*

„Rattling the Forms“, in: „Crow College“, Giramondo, Artarmon 2019
Unveröffentlichte Übersetzung