Archiv für den Monat Juni 2025
Vogelbeeren in Reillanne
Noch immer blinkt das Blätteraluminium
der Pappeln im Wind, immer noch kommt
grasgrün das Gras zurück. Die kleine blaue
Feder schwebt in den Müll, und ein Schwarm
Stare stiebt auf und ist einen Atemzug später
der Punkteschatten über der sonnenbefluteten
Straße. Weil wir befreundet sind, erklettern wir
Krater gemeinsam. Und oben, lachen wir es aus,
das Feuer, mein Lieber, ehe wir zurückschlendern
ins Tal, um im nächsten Dorf ein, zwei kühle Glas
Empedokles zu zischen. Es gibt nur ein einziges
Leben, und das ist endlos. In der Augusthitze,
in den Gewittern und der alles überdauernden
Kargheit, verrückt sich der Alltagsballast und
verliert an Gewicht. Hörst du, Tschaikowskis
Melodie klingt durch die Violinen der Zikaden.
Mit dem guten Recht der Dörfer erklär dich
zum Mittelpunkt deiner Welt. In den Städten
gibt es keine Unterschiede mehr. Hölle gleich
Himmel, beide nur Zellophan. Aber weiter blinkt
im heißen Wind das Pappellaub. Grillenbratschen.
Hör dein Herz, du brauchst dazu kein Stethoskop.
Es hat eine Melodie. Sei hier, bei dir, in Reillanne.
Sieh sie dir an, hör hin. Die Vogelbeeren sind rot.
Punktueller Schatten
In der Église St. Michel steht in einer dunklen Seitenkapelle eine Jesusfigur auf einem Sockel. Der Messias ist bemalt in blassen Farben, seine blauen Augen blicken in die Fülle der Leere. Plötzlich wendet sich sein Blick dir zu – und begleitet dich hinaus ins gleißende Nachmittagslicht hoch oben im Städtchen. Wenn du dich am Kirchenausgang noch einmal umsiehst, bemerkst du den Blick, der auf dir ruht und dir den Weg weist – der weiß, dass alles gut ist und bleibt. (Roussillon, 13.8.)
Weg aus dem Schrottverhau der Literatur – das Kind, das Glück des abenteuerlichen Spiels. (Volx, 17.8.)
Punktueller Schatten – Vogelschwarm überfliegt sonnenbeflutete Straße.
Will Oldham – Songs of love and horror
Die ganzen Stoßgebete an die Poesie, wozu führen sie? Doch nur zu weiteren, immer weiteren Stoßgebeten an die Poesie. Ist das ihr Sinn? Keines durchbricht eine Schranke. Dass keines eine Schranke durchbricht, ist ihr Sinn?
Schatten eines Blitzes – schwarzer Gecko rettet sich vor deinem Blick.
Die uralte Regenrinne wirkt plötzlich erleichtert – wie ein Alphorn, das unvermittelt schweigen darf. Denn ich habe sie mit Rostschutzfarbe bestrichen und werde sie blau lackieren. Die Gegenstände wollen, wie wir, bleiben. Immer schon habe ich gedacht: Die Natur, ja, die Dinge aber bitte auch.