Man kann nie wissen

„Man kann nie wissen“ – im Grunde ein quantentheoretisches Axiom in Form einer Redewendung, eines geflügelten Wortes. Auch darin zeigt sich die Tragweite der Bohr’schen Revolution (die die Leute gar nicht mitbekommen haben): Die Quantentheorie ist zutiefst demokratisch, ein Akt der Befreiung vom Joch der Newton’schen Mechanik, nach der alles wissbar, ausdrückbar, erklärbar, darstellbar sei. Bohr sagt: „Man kann nie wissen, es sei denn, hm …“

Änderungsschneiderei an der Fuhlsbüttler, der „Fuhle“: eine vermeintliche Familie. Der Schneider ist mit Wichtigerem beschäftigt, die Frau kommt aus dem Hinterzimmer und grüßt kurz, der Sohn ist der Zauberlehrling, der eine Hose kürzt. Doch alles scheint bloß so. Und dazu singt – nein tschilpt resigniert – über dem Nähtisch des Schneiders der Kanarienvogel in seinem Käfig. (Barmbek-Nord, 24.11.)

Der Aasee, schön, beinahe unwirklich im verspäteten Oktoberlicht. Aber da ist nichts, was darüber ein Gedicht zu schreiben nur möglich erscheinen lässt. Einer wie ich geht umher im Promenier-Idyll. Obwohl es ja bestimmt ein Licht gibt, irgendwo, irgendwann, in dem auf eine Weise die Dinge leuchten und erstrahlen, dass alles Verfälschte und Gestellte darin (oder daran) verfliegt, und zwar augenblicklich. Ein Licht, in dem das Unwirkliche verschwindet, weil es zurücksinkt. Aber wo, und wie? Das gilt es herauszufinden? Und diese Leute, ihre Gesichter, sind nicht die schlechtesten Wegweiser, nein nein. Wir alle sind zufrieden, viele scheinen glücklich, wollen gar nichts Echtes, lieber, was sie hier am Aasee haben. Nein, in Wahrheit halten sie das, was sie hier sehen, für das einzig Wirkliche und Wahre. Es gibt nichts Anderes, kein anderes Licht in diesem Augenblick. Also? Guck, das schöne Licht. (Münster, 26.11.)

Der bürgerliche Entwurf ist ein Übergriff und daher vielleicht hinzunehmen – von jedem, der sich dazu entschließt –, nicht aber „wahr“ oder gerecht.

Der Steinmetz fährt ein besonders wendiges und schmales Lieferauto – um zwischen den Gräbern umhermanövrieren zu können? Einer, der bei den Skeletten arbeitet.

Weißt du noch: deine Großmutter? Wenn sie zum Arzt „in den Ort“ fuhr, stand sie schon eine Dreiviertelstunde vor Abfahrt des Busses an der Haltestelle. „Man kann nie wissen“ – auch ein Kindheitsaxiom. (4.12.)

Heute wählen die Österreicher ihren neuen Bundespräsidenten, den Rechtspopulisten H. oder den früheren Grünen-Chef Van der Bellen, den manche hilflos „Öbama“ nennen. Heute ist Rilkes Geburtstag. Er wird 141.

Elsternfüttern

In dem alten, halb verwilderten Wäschegarten im Innenhof des Nachbarblocks haben sie sämtliche Bäume gefällt. Zersägt in von halbwegs kräftigen Kerlen zu verladende Holzscheiben – sterbende Uhren –, liegen die Stücke im novembernassen Gras und verströmen abends und morgens einen betörenden Geruch in der Straße – nicht den der Trauer, den des Lebens. (17.11.)

Dieses Foto fand ich auf dem Bürgersteig vor den Mülltonnen, es zeigt Spuren des Regens, der Schuhe, die darauftraten, der Räder, die darüberfuhren. Ein Zufall, ein Windstoß hat es bewahrt vor dem Schredder, dem Feuer. Eine seltsame Szene hält das Bild fest, so banal wie archaisch, eine stille Poesie, die mich sogleich ergriff, als ich das Foto im aufgeweichten Laub liegen sah. Ein Feld. Sechs darin beschäftigte, zumeist junge Leute. Ein mögliches Gemälde-Motiv, wäre eine andere Zeit. So aber bloß ein Foto, weggeworfen. Wonach wird dort gesucht? Nach dem Sinn.

In der Abenddämmerung durch den Stadtpark. Das blaue Licht. Das Wasser. Die Leere über dem weiten Gras, und das Schwarz, die Stille der Bäume. (Winterhude, 18.11.)

Der schöne Zufall, ein poetischer Bote, als beim Umzug in die neue Bude der Freund das einzige Buch aufschlägt, das in der Gegend herumliegt: KEATS. Und laut vorliest: „Once more been tortured with renewed life.“ Kurz vor Schluss des ersten Teils in Keats’ Epos lässt Endymion seine Begegnungen mit der ihm rätselhaften Mondin Revue passieren. Vor 24 Jahren übersetzte ich die Passage, die in die Werke-Ausgabe nicht aufgenommen wurde, so: „Und schwerer noch befiel mich jetzt der Gram, / Als da ich aus dem Mohn der Hügel kam: / Und ein jahrzehntelanges Zaudern kroch / Hier faul vorbei, eh größre Freude noch / Jäh auf die tödlich gelbe Schwermut fiel. / Ja, dreimal sah ich dieses Zauberspiel; / Ward noch einmal geplagt mit neuem Leben.“

Elsternfüttern im Innenhof.

Wenn die Männer mit den gelben Laubsaugern und den gelben Laubsaugeranzügen von ihren Transportern springen, um im Viertel die Vorgärten und Innenhöfe von Laub zu säubern, den Herbst zu eliminieren mit ihrem erbarmungslosen Lärmen, dann ruf zum Fenster hinaus: „He, Heiopeis! Haut ab! Verschwindet, ihr Pissnelken! Weg, weit weg! Los, verflüchtigt euch!“ Oder ich schicke euch (in) die große Stille.

Handkes seit über 20 Jahren geliebte Notiz – „Ich sah einen Bekannten wieder: er war gescheitert, er war Sportler geworden“ – hat der Suhrkamp Verlag für mein Fehmarnbuch nicht freigegeben, da ich das Notat „nicht sinngemäß“ verwenden würde. Nach Rückfrage, wer bitte entscheide, ob ein Handke-Zitat sinn- oder unsinngemäß verwendet werde – ich würde diesem Sinnstifter von Suhrkampangestellten gern den Speichel von der Hose lecken –, wurde das Zitat freigegeben.

Broadway-Melodie von 2008

singing may wash away the blood of the lamb
Grace Paley

1
Es gibt dich nicht, überirdisches Licht
New Yorks, nur Himmelsweite, See und
die steinern überbaute Zunge der Insel.
Der Sturm vorm schwarzen Fenster greint –
es ist spät Herbst geworden in Manhattan.
Die paar Platanen am Broadway färben sich
rot und gelb, und immer noch jaulen beflaggt
mit Sternenbannern Löschzüge, klirren mit der
Totenfahne Ambulanzen durch die abendliche
Menge in den Thermopylen aus Boutiquen.
  Davongetragen letzte Reste Wärme,
    ist der Sommer ausverkauft.

2
Von allem getrennt, das du liebhast,
bleiben Lieder. Sie ziehen sich zurück –
einer singt vom New York State of Mind –
in ihre Sanftmut, ganz als legte sich ein
Lamm mitten auf dem Broadway nieder.
Eine Abendmaschine kreist über Queens.
Starenschwärme teilen sich und fliegen
aufs Meer. Durch seinen Regen irrst du
tiefer in Geschäfte für Bilder, für Sirenen
sinnlos verloren, ratlos mit einem Blick
  telefonierend, täglich intangibler,
    unberührbar dein Gesicht.

3
In den Sinn gebunden eines der Lieder –
ein kleines Kind im Lift nach oben weint –
lauschst du über den Wipfeln im 7. Stock
am Fenster deines regengrauen Turms.
Und du spürst, wie dir durch die Glieder
Blut hinrennt zum müden Herzen eines
Dobermanns, der träumt. Howard Hughes
verkauft Gedichte. Breakdancer tanzen zu
In the Mood. Einer sprüht an eine Wand
in Blumen immer wieder Gottes Namen.
  Mädchen summen jiddische Reime …
    Laub und Regen, Raub und Segen.

The surrounding bullshit

Für immer und einen Tag wird ihr Nashorn unter meiner Küchenbank liegen, „vom Lichte erwärmt“. Ilse Aichinger ist gestorben. (11.11.16)

Und gestern oder vorgestern starb angeblich Leonard Cohen – der nie sterben wird. Ich habe seine Lieder schon gehört, da war ich noch keine 16. O., der treulose Freund, traf als Bubi auf Cohen in den Dünen von Hydra und zehrte von der Begegnung ein halbes Leben lang: Der dunkle Fremde mit dem über der Brust offenen Hemd, der den ehrfürchtig schweigenden Jungen mitnahm in seine Schreibgemächer im Strandhaus, wo er einen Totenschädel auf dem Tisch stehen hatte. 1982 vielleicht. Zwei Jahrzehnte lang debattierten wir, ob Cohens Gedichte Literatur seien „oder bloß Lieder“ – anstatt sie zu lesen und ihre nichtswürdigen Übersetzungen zu hinterfragen. Unvergessen: sein dreibeiniger Hund im Nebel; in einem meiner Gedichte, das noch gar nicht veröffentlicht ist, taucht er wieder auf und behauptet sein Recht. Cohen war und ist eine Brücke, auf seine Weise bedeutender als Bowie und Dylan. Was Judentum heute unverändert ist, lernte ich nicht in der Schule, sondern an den Nachmittagen und Abenden, wenn ich seine Songs hörte und seine Romane las. „Das Lieblingsspiel“. „Schöne Verlierer“. Einige der Mythen herübergerettet und aufbegehrt zu haben gegen die Macht der Liebe wird sein Vermächtnis bleiben.

Am Morgen leuchtet das Gold einer russisch-orthodoxen Basilika durch die Bäume auf dem Hügelkamm – die Sonne geht auf, und das Gebäude dort oben über den Feldern voller Raureif gibt es nur in deiner Vorstellung und für zwölf, fünfzehn Sekunden. (Windeby, 13.11.)

Ob Obama sich gewundert hat über Trumps Wahl zu seinem Nachfolger? Vollmundig behauptet der Noch-Präsident, er wäre auch ein zweites Mal wiedergewählt worden. Ob er sich gewundert hätte über einen anderen Nachfolger, vielleicht Sanders, wenn der sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen, Guantánamo geschlossen, die Bespitzelungen freier Bürger durch die NSA unterbunden anstatt gerechtfertigt und den Mut besessen hätte, eine TV-Liquidierung wie die Bin Ladens als unmenschlich zu brandmarken anstatt sie für sich auszunutzen und zu belächeln. Ob sich Obama über sich selber wundert, oder darüber, wieviel er unterließ? „In fantastischer Atmosphäre“, sagt er, habe das erste Vorbereitungstreffen auf die Amtsübergabe mit dem populistischen Hetzer Trump stattgefunden.

„Nothing’s changed but the surrounding bullshit that has grown … / And now he’s home, and we’re laughing like we always did … / My same old, same old friend … / Until a quarter-to-ten …“ Pearl Jam

Abgeworfen hat das Rennpferd seinen Jockey / und galoppiert allein durch Louisville, Kentucky.

„Die Welt ist leer, sie ist auserzählt“, sagt im Radio der Literaturkritiker, und ich schalte das Gerät aus.

Wie die Gesichter beschreiben

„Ich glaube an Kinder, wie man früher an Apostel glaubte.“ Victor Hugo

Jeden Morgen im Moment des Aufwachens neuen Mut schöpfen zu müssen – wo ist dein Brunnen, dein Trog, deine Kelle voller Zuversicht? Das Selbstvertrauen, das Selbstzutrauen eine Art Wasser: Vertrau dir; trau dir das zu. Jeden Morgen im Moment des Erwachens die Empfindung, dein Bett steht im Freien. (Barmbek, 7.11.)

Wie die Gesichter beschreiben, die Traurigkeit, das Staunen darüber, das Hineinblicken in die vertraute Fremde? Hier sind so viele „neben der Spur“, wie sie wohl selber sagen würden. Das Gesicht zittert. Der Blick fliegt davon. Man möchte zuschlagen, eigentlich aber umarmen, lachen, abhauen, nie weggehen. Es ist ein Lied. Es ist eine Kirche. Da musst du jetzt mal sehr stark sein. Waffen. Lärm. Ich möchte – möchte? –, ich will mich hier nicht verlieren? Aber was sonst?

Am frühen Morgen eine WhatsApp, in der dir der liebste Mensch schreibt: „Der erste Schnee!“ – und du ziehst die Vorhänge zurück, und da sind die drei Wörter wirklichgeworden: der erste Schnee – und das Ausrufezeichen ebenso, wirklichgeworden: der erste Schnee! Um ihre Schlaftanne herum schwirren aufgeregt die beiden Elstern; das Weibchen ist weißer als das Männchen, aber so weiß wie der Schnee ist keiner von beiden. Hin und her, auf und nieder durch die beschneiten Äste flattern sie. Ist das kein ausgelassenenes Spielen? The sound of the birds. The birds of Flims. Yeah I asked around but nobody knows the names of ’em. Of the birds. The birds of Flims. (8.11.)

Jetzt hat die Welt, jetzt haben sie, haben wir, hast du den Salat. Den Trump-Salat. Welches Dressing? Demagogisch, bitte. Lasst es euch schmecken. Ich wachte auf gegen 3.40 Uhr und las, Florida gehe verloren, träumte dann vier Stunden lang von einem Erdrutschsieg des Trump und wachte auf und fand den Albtraum wahrgeworden. Die Leute in Ohio, Pennsylvania und Kentucky haben sich für die Unterhaltsamkeit der brachialen Dekadenz entschieden. Ihr gutes Recht. Schämen sollen sie sich trotzdem. Wohlan, Lüge! Ich bin zuversichtlich – wie stets, ihr hellgeschminkten Schwarzseher. Dieser vermeintliche Triumph der Reaktion ist der erste Tag ihres Niedergangs. Nero wird aus Rom verjagt werden. Aber zum Teufel scheren sollen sich vor allem, die diesen Ausverkauf demokratischer Prinzipien ermöglichten und herbeiriefen. (9. November 2016)

Krimiwerbung: „Spannung bis zum Herzstillstand!“

Krimiwerbung (erfunden): „Langeweile bis zum Herzstillstand!“

Warum der Schnee im frühen November so schön ist, die liebe Frau des Freundes sagt: „Es ist so hell, so licht dadurch.“ Und der Freund lacht, weil er im Schnee nicht mehr im Garten sitzen kann, um zu schreiben. Und ich lache, weil ich den ganzen Tag lang immer wieder dachte: Die Blätter sind noch da, und jetzt wird es weiß.

Eingeschlummert in der Bahn, die dich heimbringt in die Stadt, umgeben von konsterniert in die Dämmerung blickenden Gesichtern. Hör ihnen zu, hör zu, was sie erzählen! (Altona, 9.11.)

Das Gras von Trégana

„Ich werde von mir selbst nicht mehr in mir gefunden.“ Andreas Gryphius

Die Dinge, wie sie waren, bringt nichts zurück, so ist es; alles, was das Gegenteil behauptet oder verheißt – Lüge, Trost, Hoffnung, Trug. Die Erinnerung ein unvergänglicher Schein. (Brest, 21.10.)

Respectez les hommes jaunes!

Bei Mons drei Frachtkähne im morgendlichen Nebeldunst, und über den Äckern brausen große Starenschwärme auf.

Der Strand von Trégana: Wohin hat es alle die Toten getrieben? Warum ist keiner, der am Leben blieb, hier geblieben?

Nachts mit dem Möbelwagen quer durch Paris, die Seine entlang, vorbei an La Défense, an Chaville, an Versailles, an der Porte de Saint-Cloud. Ich sprach von den neun Millionen mit nur Einem, und der lachte und war die Freundlichkeit in Person. (Paris Auteuil, 22.10.)

Was weißt du schon von den Fernfahrern, den Arbeitern? Nur, dass sie wie die Spinnen oft kunstvoll ihr Leben weben und verweben. Ausbruchsversuche? So gut wie keine. Das Glück scheint im Erfüllen zu liegen – dem Erreichen, dem Erlangen wovon? Erinnere dich: an den jungen Supermarktkassierer, der in jeder Pausenminute in einer Biografie Georges Bizets las.

„Besser, die Koffer packen. Ende.“ Pessoa

Der Fernfahrer tanzt mit elegantem Hüftschwung durch das Drehkreuz, um das Entgelt für den Gang zum Stillen Ort zu sparen. Ihm nach! – nicht um der paar Kröten willen, sondern wegen der schönen Bewegung. (Aachen, 23.10.)

Wenn ich die alten Lautsprecherboxen zurechtrücke und ihnen den neuen Platz einräume, warum denke ich sogleich zurück … an den einen, somit unverwechselbaren Nachmittag vor über 30 Jahren im Sachsenwald, als ich sie einem Schulkameraden abkaufte? Das Licht, die Bäume, ihr dunkles Grün. Sein zufriedenes Gesicht, seine langen blonden Locken. Das Gewicht der schwarzen Kästen in den Armen, als ich zur S-Bahn ging und heimfuhr. Die ganze Musik, die ich hörte seither! Musik der Erinnerungen, innere Musik: der Möglichkeiten zu ganz neuer. (2.11.)

Im Dunkeln wirbeln zwei Hunde hin und her und anscheinend umeinander herum: Den hellen siehst du, der dunkle kann auch Schatten sein.

Das Tageslicht ist nicht das wahre Licht

Der Erste, der mich in der neuen Bleibe begrüßt: eine Amsel. (Barmbek, 16.10.)

Wenn Reformation heißt, vermeintlich Wahres und scheinbar Wirkliches zu hinterfragen, ist Poesie die beständige Reformation.

Jeder Strauch und jeder Busch war freundlich.

Zwischen den Mietblocks der überwucherte frühere Rasen, aus dem die Wäschestangen meiner Kindheit ragen. Seit Jahren ist dort niemand mehr gegangen, hat dort keine Wäsche gehangen außer der schwarzen der Krähen.

Heute vor 29 Jahren: Ich fuhr mit dem Bus hinaus nach Othmarschen und kaufte mir eine schwarze zuschanden gefahrene Giulietta: „der Satan“, Baujahr ’78.

Kurz hinter der belgischen Grenze steht in einem grasbewachsenen Tal zwischen Bahndämmen ein ganzer Güterzug und verrostet und verrottet im Regen. (18.10., bei Walhorn)

In der Dunkelheit die Seine-Mündung. Und das tausendfache Licht von Le Havre!

Rote, gelbe, vielfach grüne verwilderte Hecken: Die Normandie verblüfft. Bei St. Lô ist sie weit wie die Erinnerung – die mir nicht meine zu sein scheint.

Zwei Stunden später bist du nach 34 Jahren zum ersten Mal wieder in Caen. Mit 17 nachts am Strand, und das Licht im Dunst. Und der Wind kam über den Atlantik. Und der Wind kommt über den Atlantik.

In den Kellerräumen das ausgeräumte Leben, die Leere, die Spuren an den Tapeten von namenlosen unbekannten Augenblicken. Die Dinge, die wir weggeben, wegnehmen und wegwerfen, bleiben in der Erinnerung. Sie sind widerständig: Sie sind, was sie sind: gegenständig! (Plouzané, 19.10.)

Verzweifelt nicht jede Frage an ihrer Antwort?

„Der Baum steht vor dem Wohnzimmerfenster. Ich frage ihn jeden Morgen: ,Irgendwas Neues heute?’ Die Antwort kommt auf der Stelle, hunderte Blätter geben sie: ,Alles.’” Christian Bobin

Und noch einmal Bobin: „La lumière du jour n’est pas la vraie lumière.” — „Il y a des îles de lumière dans le plein jour. Des îles pures, fraîches, silencieuses. Immédiates.” – „L’amour seul sait les trouver.“