Ungelebt / Unlived
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Wilde auf der Piazza Navona (2)
Keats, Rimbaud und Wilde
Rimbaud kam vier Tage nach Oscar Wilde auf die Welt, Oscar am 16. Oktober 1854, Arthur am 20., der erste in Dublin, der zweite in Charleville, einer Stadt im äußersten Osten Frankreichs, auf halbem Weg zwischen Lille und Nancy. Rimbaud nannte seinen Geburtsort Charlestown, und der junge Wilde verlebte schöne Sommertage in Charleville, der irischen, wundervoll grünen Landschaft. 1854 war John Keats erst 33 Jahre lang tot. Mit 22, im Alter, als Wilde anfing zu schreiben und Rimbaud Gedichte schon als Spülwasser bezeichnete, schrieb Keats in seine Ausgabe von Miltons „Paradise Lost“ eine Bemerkung an den Rand, eine Frage, die er sich selbst beantwortet. Beide Sätze lauten: „What creates the intense pleasure of not knowing? A sense of independence, of power, from the fancy’s creating a world of its own by the sense of probabilities.“ Frage und Antwort bilden nichts Geringeres als Keats’ eigene, sogar handgeschriebene Definition dessen, was er in einem Brief kurze Zeit später „Negative Capability“ nannte – die das dichterische Gemüt kennzeichnende Negativbefähigung: Der dichterische Mensch ist imstande, Zweifel und Halbwissen nicht nur zu ertragen, sondern fruchtbar zu machen. „Was bringt die intensive Freude am Nichtwissen hervor? Ein Sinn für Unabhängigkeit, für Kraft, der daher rührt, dass die Fantasie kraft des Sinns für Wahrscheinlichkeiten eine eigene Welt hervorbringt.“ Weder Rimbaud noch Wilde kannten die beiden Sätze. Sie müssen ihren Sinn auf andere Weise verinnerlicht haben.
Wilde auf der Piazza Navona (1)
Der Kuss
Die Rimbaud-Porträts
Der gelbe Fisch
Der Turm im Winter
Vincent in Volx
Der Regen aus Milch
Vincent maquillé
In Rio
Canal Hotel
Bleistift auf Briefpapier
Canal Hotel, Hangzhou, China, 12. September 2012
Im Colloquium
Vorder- und Rückseite eines linierten gelben Notizblattes, Treffen „Das Netz“ von schweizerischen, österreichischen und deutschen Autoren, LCB, Berlin, 15. März 1998