Das Gras

Allem, was verschwindet

Die Sommeradresse.

Hier ist ein mit pötterndem Auspuff den Berg (Hügel) hinaufkriechender Wagen schon ein Ereignis.

Der Ophelia-Zoom.

Das Lichtflimmern oben auf den Falschen Akazien, ein leuchtender Deckel, ein Lichtverschluss, an den Straßen über die freien, grünen Grasebenen zwischen den dunklen Waldflächen des Schwarzwalds – nur die annähernde Beschreibung (noch) möglich. (Erzgrube, 3.7.)

Oscar Wildes Leben und Oscar Wildes Sterben stellen nicht die Kapitulation des Einzelnen vor der vermeintlichen Allmacht von Staat, Repression und Politik als solcher dar, sondern den Triumph des Dichterischen über den Stumpfsinn. Wildes allerletzter literarischer Text, seine große Ballade vom Leben und Sterben im Zuchthaus Reading verdeutlicht dies anhand seines abschließendes Wortes: sword – Schwert. (Lies nach!)

Allem, was verschwindet, nehme ich mich an.

Den ganzen Tag lang das Katakombengefühl. (Maulbronn, 21.7.)

Arcade Fire – Neon bible
Arcade Fire – The suburbs

Ein leeres Ruderboot löst sich vom Anleger und treibt auf dem Neckar flussabwärts. Zuerst entdeckt das Malheur der Hund des Bootsverleihers, eine große schlanke Münsterländerhündin, die nervös auf dem Pier hin und her rennt. Und der Bootsverleiher selbst kommt aus seinem Verschlag gestürzt, springt in ein anderes Boot und rudert dem abgetriebenen nach, um es ins Schlepptau zu nehmen. Während sein Hund am Anleger von Boot zu Boot springt, ihm nach über dem grünen Wasser voller Forellen und Enten. (Tübingen, 26.7.)

Unter der nächtlichen Brücke tost der Buëch hindurch, hinweg über die im Mondschein kahlweißen Felsen. Die Brücke ist aus Beton, doch einzelne Überreste der alten, mittelalterlichen Steintraverse stehen noch am schattendunklen Ufer, als hätte der Bergfluss, Strom geworden, die Bögen und Pfeiler abgebrochen und davongetragen, ja so laut braust der Buëch, der talwärts der Durance entgegenströmt, dass dir im Dunkel auf der Brücke selbst das verschwundene Kastell hoch oben über den alten, mitteltalterlichen Häusern von ihm abgebrochen und davongerissen erscheint. In seinem Tosen wird es augenblicklang Bild und wirkt die Unweigerlichkeit des Zeitfortgangs illusorisch. (Serres, 3.8.22)

Während zahlloser Wanderungen, Betrachtungen und Lektüren früher überkam mich immer öfter das ungute Gefühl, sie würden mir dazu dienen, sie beschreiben zu können – der funktionalisierte Blick auf die Dinge –, Dinge, die jedoch, vielleicht gerade dadurch, unwirklich blieben. Mit den Jahren zog ich mich deshalb von „den Dingen“ zurück, scheint mir, verschwand aus der Welt, nahm nicht länger schreibend alles auf und daran teil, sondern ließ die Welt Welt sein, die Dinge die Dinge, um sie für mich zu bewahren und zu schützen vor dem schalen Gefühl, sie benutzt zu haben, begann zu erfinden, baute Erfahrung, Betrachtung, Erlebnis um zu Fiktion – als hätte ich einen auf dem Boden liegenden Spiegel zertreten und würde versuchen, die Scherben neu und anders zusammenzusetzen. Seit einiger Zeit wird mir dieses Schreibspiel auch durch das Übersetzen ersetzt – wobei ich immer dringlicher merke, wie sehr mir darin zwar nicht das Schöpferische, doch die erfinderische Selbstbestimmung fehlt. Es ist dank wichtiger Impulse anders geworden – Dickinson, Wilde, Komunyakaa –, tröstliches Zeichen dafür, dass mein erkranktes Schreiben noch gesunden, sich wiederbeleben und umorientieren kann. Ich gehe hinaus unter die Dinge – the things, das Andere –, nicht, um sie aufzuschreiben, sondern hoffe, dem Blick, der der meine ist, gehen ab und an wieder die wunden Augen auf. (Volx, 4.8.)

Il faut être absolument uncool.

Der lange Abschied

Die Aufnahme zeigt ein Frachtschiff kurz vor dessen Verschrottung 1977 im Hafen der zweitgrößten taiwanesischen Stadt Kaohsiung, seinerzeit eines der weltweit wichtigsten Abwrackungszentren. Die dargestellte betagte Schönheit ist der beladen maximal 8179 Tonnen schwere Stückgutfrachter „Golden Crown“, vom Stapel gelaufen 1948 im schwedischen Göteborg, der fast dreißig Jahre lang unter panamesischer Flagge fuhr und drei Mal einen anderen Namen trug: Die „Golden Crown“ hieß zunächst „M/S Guayana“, dann „Stena“, gefolgt von „M/S Rhodos“, ehe sie ihren letztgültigen Namen erhielt. Sie stellte nichts Besonderes dar – nur ein Frachtschiff, das kreuz und quer über die Weltmeere fuhr, Ladungen nach, notwendigen Reparaturen Rechnung tragend, ein typischer Cargodampfer vor Einführung der Container, die für Frachter, Frachterreedereien und Frachterseeleute alles veränderten.
Und doch gibt es wie bei jedem Ding, jedem Geschöpf eine Besonderheit, die dieses Schiff einmalig macht, mag man es ihm auch nicht ansehen und hätte sich lächelnd oder gar angewidert abgewandt, wäre die „Golden Crown“ Mitte der 70er an einem wie mir auf der Elbe vorbeigefahren – wobei ich nicht weiß, ob sie je auch in Hamburg festgemacht hat und gelöscht wurde.
Als sie noch die junge, schnelle, effektive „M/S Guayana“ war, bestand ihre Besonderheit darin, auf direktem Weg zwischen Los Angeles und London zu verkehren und aufgrund ihrer seinerzeit großzügigen Ausstattung dabei bis zu 46 Passagieren an Bord Platz zu bieten.
Eine solche Frachtschiffatlantiküberquerung auf der „M/S Guayana“ buchte 1952 Raymond Chandler für seine Frau Cissy und sich, eine dreiwöchige Reise, die von Kalifornien durch den Panamakanal, vorbei an Kuba und über die See bis Schottland, bis England führte.
Chandler, der alles und jedem gegenüber kritisch war, fühlte sich wohl an Bord der „Guayana“, auch wenn das Schiff, wie er schrieb, fortwährend neu lackiert wurde. Er arbeitete auf hoher See an der Fertigstellung seines späten Meisterwerks „The Long Good-Bye“, um in London seinem britischen Verleger Hamish Hamilton von seinen Fortschritten berichten zu können.
Doch die Reise auf der „Guayana“ war mehr für ihn. Seit seinem Studium am Dulwich College im Herzen Brite, empfand Chandler sein Leben in La Jolla bei Los Angeles als Zwangsdasein im kalifornischen Exil. Die „Guyana“ entführte ihn für mehrere Monate in die Freiheit der Selbstbestimmung, bevor es zurückzukehren galt. „Auf ganz Kalifornien“, schrieb Raymond Chandler, „trifft zu, was jemand mal von der Schweiz gesagt hat: un beau pays mal habité.“

Aus der Geschichte der Zerrüttung

Das Mädchen ging vorbei und fragte in ihr Handy – oder war da jemand neben ihr? –, ob eine Mücke, von der sie gerade gestochen worden sei, ob die eigentlich sterben müsse jetzt? (Calw, 6.5.22)

Die Blumensträuße, die er nicht hat verkaufen können, bindet der Händler am Abend auf und legt sie in den Brunnen, wo sie daraufhin eine Woche lang schwimmen und blühen.

Mir kommen die Fachwerkfassaden hier wie Sparbücher vor: lauter Ziffern an den Hauswänden.

Mit dem Krankengymnasten unterhältst du dich jede Woche einmal eine Stunde lang über Celan, Bachmann, über Debussys und Ravels Streichquartette und Keith Jarrett. Im Hintergrund laufen Brahms und Bruch, während seine Hände deinen Fuß retten.

Und wenn die junge Frau lacht, schallt es über den Marktplatz – jahrhundertaltes Lachen. Ein Junge im Nachbarlokal ahmt sie nach, auch das erkennen die Fassaden wieder.

Am Boulevard brennt ein Mülleimer, dann das daran angeschlossene Fahrrad und schon auch der dagegengekippte Motorroller. (Paris, Odéon, 18.5.22)

Während er seine Knackwurst verspeist, fragt der Modeverkäufer mit der Tolle nach dem Stoff meines Sommerhemds.

Die Schattenglasur an den Calwer Fassaden und der Lichtschimmer über der Seine.

Henry Purcell und Alfred Deller – Music for a while

Der Panzer zerstört alles. Die Blume lässt sich von allem zerstören.

Das Schwimmbad hat ein neues Gewitterwarnsystem.

Der Turmfalke über Bad Teinach: schwarzweiß, mit roter Musterung. Er ist ein mächtiger Feind, groß wie ein Kind, wenn es Schwingen hätte. (25.5.22)

Die einzige Gestalt, die am Abend noch über den Platz streicht, ist eine schwarzweiße Katze, und vom Glockenläuten lässt sie sich nicht beirren, es ist Teil ihrer Welt, seit sie Katze ist.

Wie immer dieses ungute, von Verblüffung unterlaufene Tarantinogefühl, auch bei „Once upon a time … in Hollywood“. Die Seichtheit und die Blutrünstigkeit. Die Inszenierung der Inszenierung. Und die schöpferisch wehrhafte Abänderung der sogenannten Realität hin zu einer erfüllteren Wirklichkeit – so schroff wie schal, verpufft alles im Qualm einer Zeit ohne Esprit.

„Die einzige Verbindung zwischen Kunst und Natur ist eine tadellose Knopflochblume.“ Oscar Wilde

Michelle

Wenn wir im Souterrainhalblicht des Ladens standen und
die Finger blätterten durch leicht gekippte Klarsichthüllen
alphabetisch einsortierter Platten, blieb für sieben Songs
die Schwerkraft aus. Wir fühlten alles, hörten jede kleine
Atempause, sahen einander auf den Händen balancieren
Alben und in allen Blicken die Musik entstehen zum Bild,
zur Zeile auf dem Cover. Und vorm Fenster war die Pest,
Gertrudenkirchhof, Tote taumelten lebendig auf den Platz,
Staub tanzte in der Luft, die fade, dumpf und unecht roch,
und alles das erwarteten wir und erkannten wir neu jedes
Mal, als hätten wir an Tagen, die wir nicht im Laden waren,
den Geruch an uns gehabt, herumgeschleppt durch träge
Tage, bis die Schwerkraft wieder ausfiel. Kein Gedächtnis
schöpfte unsere Tiefe aus. Und alle Kindheit war verflogen.
Und Alter zählte nicht. Und Seele war uns nahe Gegenwart,
und Welt immer dieselbe und die Einsamkeit neu jedes Mal.

Wegweiser

Die Wörter Freundschaft, Frau und Liebe, die Wörter
Verzeihen und Betrügen, fast hätte ich mich darüber
vergessen. Eine kleine Veränderung reicht aus, und
ich verschwinde in Träume, in Bücher, ja Kochtöpfe.

Meine Zunge wird mich verraten, der eigene Atem
mich umbringen, leider bittere Wahrheit. Ich werde
in Tau verwandelt und Asche, in Qualm, Schatten
an den Wänden, in Zündholzzischen und Flamme,

in die zerknüllte Stelle im Laken, in das Getropfe
des Wassers im Bad. Eine Epoche hinter mir und
kein Funkeln mehr im Blick, ist die Zeit ja wohl reif,
um alles hinzuwerfen. Ich zerfalle wie ein Konzern.

Ich breche zusammen ähnlich einem Imperium und
werde verhaftet wie ein Fußballgott. Zum Teufel mit
allem Gras. Ich werde jeden Anschluss verpassen,
ihr werdet’s erleben, meine Welt endet, das war’s.

Keine peinliche Begegnung mehr im Treppenhaus,
endgültig Vergangenheit die ganzen Zufallstreffen
am Brotstand im Supermarkt. Bleibt nur, ich gehe.

Schluss mit Verabredungen unter der großen Uhr,
die steht, oder stehen geblieben sein muss, egal,
so elendig langsam vergehen darauf die Minuten.

Nach Tomasz Różycki

Clapham Junction

Bewaffnet sind die Toten aus dem Grab gestiegen
Und flattern da in Wahrheit auch bloß Londoner Tauben
Die Zunge erkundet die Mundhöhle und weiß auf einmal
Die Jahreszeit des Kummers ist ein Vorstadtbahnhof

Und flattern da in Wahrheit auch bloß Londoner Tauben
Über Waggons voller Stahlschrott, Spänen und Schotter
Die Jahreszeit des Kummers ist ein Vorstadtbahnhof
In der so seltsam simplen Ökonomie der Welt

Über Waggons voller Stahlschrott, Spänen und Schotter
Die Lavendelhügel, die Lavendelfelder
In der so seltsam simplen Ökonomie der Welt
Spucken sie auf dich, Oscar, Ausgeburt allen Übels du

Die Lavendelhügel, die Lavendelfelder
Es war das reinste Gelage mit Panthern
Spucken sie auf dich, Oscar, Ausgeburt allen Übels du
Nimm es hin wie den ewigen Nebel und den Nieselregen

Es war das reinste Gelage mit Panthern
Die Zunge erkundet die Mundhöhle und weiß auf einmal
Nimm es hin wie den ewigen Nebel und den Nieselregen
Bewaffnet sind die Toten aus dem Grab gestiegen

Eisenbach

Wach auf, mein Herz, und weise wisse
Wir haben bei Weitem noch nicht alles geliebt
Denk nur an den Baum, der neben uns stand wie ein Lauschender
Der Sommer ein Jahr und die Glaswand nicht Glas

Wir haben bei Weitem noch nicht alles geliebt
Vergiss nicht, jede Uhr ist erfunden
Der Sommer ein Jahr und die Glaswand nicht Glas
1975 entdeckt man in China die Zärtlichkeit

Vergiss nicht, jede Uhr ist erfunden
Wie eine böse Knospe, in der eine furchtbare Blüte wartet
1975 entdeckt man in China die Zärtlichkeit
Als wäre es gestern gewesen, heute, jetzt

Wie eine böse Knospe, in der eine furchtbare Blüte wartet
Der Wind von den Sternen, die alle Sonnen sind
Als wäre es gestern gewesen, heute, jetzt
Scheuchen nachts Böen das Laternengelichter aus dem Kanal

Der Wind von den Sternen, die alle Sonnen sind
Denk nur an den Baum, der neben uns stand wie ein Lauschender
Scheuchen nachts Böen das Laternengelichter aus dem Kanal
Wach auf, mein Herz, und weise wisse

Calw

Da legt eine Prau an, im scheinbaren Wind aus nichts Segel
So klingt der süße Singsang von den allerschwersten Dingen
Piet gießt vor dem Laden um Mitternacht noch die Narzissen
Unverkäufliche Blumen schwimmen eine Woche im Brunnen

So klingt der süße Singsang von den allerschwersten Dingen
Fast schmeckt der Regen nach dem Wein in meinen Händen
Unverkäufliche Blumen schwimmen eine Woche im Brunnen
Zwei Absätze weiter unten in der Geschichte der Zerrüttung

Fast schmeckt der Regen nach dem Wein in meinen Händen
Wie Sparbücher voll Ziffern morgens die Fachwerkfassaden
Zwei Absätze weiter unten in der Geschichte der Zerrüttung
Ich wusste überhaupt nicht, dass ich vollkommen nackt bin

Wie Sparbücher voll Ziffern morgens die Fachwerkfassaden
Und der Marder im Dachstuhl entkommt durch die Träume
Ich wusste überhaupt nicht, dass ich vollkommen nackt bin
Während David Crosby auf dem Markt Wooden Ships singt

Und der Marder im Dachstuhl entkommt durch die Träume
Piet gießt vor dem Laden um Mitternacht noch die Narzissen
Während David Crosby auf dem Markt Wooden Ships singt
Da legt eine Prau an, im scheinbaren Wind aus nichts Segel

Nizza

Schon verlässt das Gedicht das Bleistiftstadium
Kaum dass ein Baum dort in der blauen Dünung treibt
Kein Kletterer im Berg kennt den Berg, aber du
Wie eine alte Seemöwe nachts bei Mistral

Kaum dass ein Baum dort in der blauen Dünung treibt
Klirren die Sternbilder, bis du dich in Bewegung setzt
Wie eine alte Seemöwe nachts bei Mistral
Nur ein Häufchen Kiesel und Zigarettenkippen

Klirren die Sternbilder, bis du dich in Bewegung setzt
Dann schreckt manchmal sogar ein Schatten zurück
Nur ein Häufchen Kiesel und Zigarettenkippen
Freude zu finden bleibt trotzdem der Sinn einer Passeggiata

Dann schreckt manchmal sogar ein Schatten zurück
Und sei er aus den verschwundenen Wäldern des Libanon
Freude zu finden bleibt trotzdem der Sinn einer Passeggiata
Bis die Wellenbrecher alles achtlos zertrümmern

Und sei er aus den verschwundenen Wäldern des Libanon
Kein Kletterer im Berg kennt den Berg, aber du
Bis die Wellenbrecher alles achtlos zertrümmern
Schon verlässt das Gedicht das Bleistiftstadium

Ein Glas Tränen

Trink das Glas, trink es und
Sommerwolken spiegeln sich.
Das Wasser fließt, ein Fließen

geht durch alle deine Jahre.
Grün der See, grün Seele.
Also fürchte dich nicht mehr,

die Sommerwolken spiegeln sich
auf Fluss und See. Im grünen Licht
trink aus dein Glas, trink es ganz leer.

2. Fassung

Willkommen auf den künstlichen Plätzen

Die Forschung, heißt es, werde verstärkt auf KI setzen, künstliche Intelligenz. (Gibt es überhaupt andere als künstliche?) So hoffe man etwa, den Sprachen der Tiere auf die Schliche zu kommen. Denn mit einem Tier unterhalten habe sich noch kein Mensch. (Ich schon.) Zum Beispiel Fledermäuse! Die namenlose us-amerikanische Forscherin sagt, sie beabsichtige, „bat“ zu lernen, d.h. die Fledermaussprache: Möglichst große Computer (Rechner, wie man eigentlich auch im Deutschen endlich sagen sollte) sollen möglichst große Mengen von Fledermaustonaufnahmen auswerten, nach Mustern (Algorithmen) durchsuchen und darin eine Grammatik und Syntax der Fledermäuse erkennen und schließlich nachbilden, denn Ziel des Ganzen sei nicht Erkenntnis (Erkenntnis der Fledermäuse), sondern Austausch – Austausch mit Fledermäusen. (Im Französischen l’ordinateur, „l’ordi“ genannt, Lordy, der kleine Gott Computer – Compi – oder Rechner – Rechi –, gut eingebettet, ja verlötet zwischen „ordinaire“ und „ordination“, „gewöhnlich“ und „Weihe“.)

DALL.E versetzt mich in Erstaunen – und damit an die Grenzen des Erstaunens, dem ja zu keiner Zeit zu trauen ist. DALL.E sei „eine 12-Milliarden-Parameter-Trainingsversion des GPT-3-Transformatormodells, das die Grundlage (bildet, sic!) für eine Vielzahl von KI-Textgenerator-Software(s, sic!)(,)(und, sic!) die dir hilft, Artikel zu erstellen, die in Suchmaschinen gut platziert sind.“
Hier allerdings – im Gras – sollen keine Artikel erstellt werden, die in Suchmaschinen gut platziert sind. Der Name des KI-Transformationsprogramms DALL.E ist ein so genanntes „Kofferwort“ und verbindet die E-Roboterfigur WALL.E aus dem gleichnamigen Pixar-Disney-Animationsfilm von 2008 mit dem Namen des spanischen Surrealisten Salvador Dalí (1904–1989), Erfinder u. a. der zerfließenden Uhr und brennenden Giraffe. WAll-E + Dalí = DALL.E. Das Programm transformiert Textpassagen und semantische Schnipsel zu (wie es scheint) selbst kreierten Bildern, indem es die von auswärts eingegebenen Informationen interpretiert, verarbeitet und umsetzt. DALL.E errechnet darüber hinaus ein bildliches Umfeld, eine Art Bild-Hof um die erhaltenen Bildinformationen und setzt – wenn gewünscht – auch diese als Bild oder Bildergänzung um. So entsteht etwa ein Zimmer zu Vermeers Zeiten nach den Informationen, die DALL.E zur Verfügung stehen, das Zimmer nicht der „Briefleserin“, die (und das) Vermeer gemalt hat, sondern das „man“ sich vorstellt – nein, das man sich vorstellen lässt von einem mit 15 Milliarden Bildinformationen gefütterten Text-Bild-Transformationsprogramm.
Als mich mein Sohn auf die inzwischen erweiterte Version DALL.E2 aufmerksam machte, bat ich ihn, das Covermotiv eines meiner Lieblingsalben in das Programm einzugeben und nach Variationen von Betty Swanwicks Gestaltung für „Selling England by the Pound“ von Genesis aus dem Jahr 1973 zu fragen, „painted in the style of Betty Swanwicks album cover image of“ usw.
Unmittelbar deutlich wird anhand der nicht dargestellten, sondern weitergeführten Figuren und Gestalten in dem englischen Garten oder Park (auch der Hecke mit deren seltsamen Innenleben), dass DALL.E Menschen oder menschliche Züge offenbar nicht erkennt – zumindest nicht als etwas Besonderes oder Hervorzuhebendes. Alles ist für es, ihn oder sie Form (und damit form- und verformbar). Umso erstaunter bin ich von der Wesenhaftigkeit der Variationen, von der Weiterführung bestimmter Motive und vermeintlich darin dargelegter Erzählungen, insbesondere aber von der Traum- oder Albtraumartigkeit der Bilder, deren Figuren und Gegenstände mir wie Halbmenschen und Halbdinge, wie gefangen in einer Vorstellungs- oder Einbildungskraft ohne Möglichkeit zu Ausgängen und geistigen Ausprägungen erscheinen.

Lob des Unfugs

Als ich in den Innenhof kam, verstummten dort gleichzeitig (auf einen Schlag) alle Vögel – doch nur für eine Sekunde. Dann erkannte mich der Rhododendronschwarm, und wie zu meiner Begrüßung tirilierten die Biester weiter. (B.-Prenzlauerberg, 21.3.)

Das Schönste und Beste, was ich in B. je sah, war ein Star am noch unverändert rumänisch wirkenden Alexanderplatz: der goldene Schimmer auf seinem gepunkteten Gefieder, als er die Krümel aufpickte, mir zu Füßen, in Wirklichkeit aber andersherum.

Es gibt Bücher, wenn du die liest, denkst du jedes Mal: Dieses Buch soll nicht aufhören. Wolfgang Hildesheimers „Tynset“ ist so ein Buch.

Nicole S. aus A. lobt ihren Mann Gernot, der dutzende Weltrekorde hält, darunter den, 89 Weinbeeren binnen einer Minute mit einem Schwert halbiert zu haben, lobt ihn, da er, Gernot S. aus A., „nichts Sinnvolleres auf dieser Welt“ tun könne. Ich lobe aus demselben Grund Nicole S. aus A., vor allem dafür, den größmöglichen Unfug lächelnd zugleich zu erdulden und zu verbreiten, voller ganzjährig weihnachtlicher Güte für ein 57 Jahre altes Kind.

„Nicht Bindungen erstrebe, / erstrebe Lockerungen!“ William Blake

Tears for Fears – The Hurting

Nach der Lesung gestern vor 50 Schülerinnen und Schülern hatte jemand die für mich (für mich!) bestimmten Blumen entwendet. Sehr gut. (Altona, 29.4.)

Echo & the Bunnymen – Evergreen

An die Sternen

IHr lichter die ich nicht auff erden satt kan schawen /
Ihr fackeln die ihr stets das weite firmament
Mitt ewren flammen ziert / vndt ohn auffhören brent;
Ihr blumen die ihr schmückt des grossen himmels awen
Ihr wächter / die als Gott die welt auff wolte bawen;
Sein wortt die weisheit selbst mitt rechten nahmen nennt
Die Gott allein recht misst / die Gott allein recht kent
(Wir blinden sterblichen! was wollen wir vns trawen!)
Ihr bürgen meiner lust / wie manche schöne nacht
Hab ich / in dem ich euch betrachtete gewacht?
Regirer vnser zeitt / wen wird es doch geschehen?
Das ich / der ewer nicht alhier vergessen kan /
Euch / derer libe mir steckt hertz vndt Geister an
Von andern Sorgen frey was näher werde sehen.

„An die Sternen“, ein Sonett von Andreas Gryphius (1616 – 1664), ist Teil der dritten Sammlung des Dichters und erschien gegen Ende seiner niederländischen Studienjahre 1643 in Leiden. Ein Jahrzehnt jünger als Rembrandt, der die Universitätsstadt 12 Jahre zuvor verlassen hatte, war Andreas Greif aus Glogau in Schlesien, der sich Gryphius nannte, da 27 und seit sechs Jahren poeta laureatus. Anders als von „Es ist alles eitell“ und „Menschliches Elende“ gibt es von „An die Sternen“ keine Erstfassung in den „Lissaer Sonetten“. Auch deshalb erscheint mir „An die Sternen“ einzigartig und wundervoll. In meinen Augen ist das fast 380 Jahre alte Gedicht eines der schönsten in meiner Sprache. Lesen lässt es sich als Anrufung, Huldigung oder Preisung der Himmelsgestirne und somit, wenn man will, Gottes, von dessen Welterschaffung sie Zeugnis ablegen. Davon sprechen jedoch allein die ihre Alexandriner wie auf stellaren Bahnen über die Zeilen führenden Verse der beiden Quartette. Die in den Anfang zurückmündenden sechs Zeilen der mit schweifenden Reimen versehenen Terzette erzählen dagegen von der Lust des dichterischen Gemüts am Staunen über die Welt und ihre Darstellbarkeit durch das so hell wie ein Stern leuchtende Wort. Es geht Gryphius um das gar nicht göttliche, vielmehr immer aufs Neue aus dem eigenen Ich schöpfende Wunder der Benennung: eine Lebendigkeit stiftende Kraft, die der Dichter stellvertretend für jeden festzuhalten versucht, der wie er nach Spuren und Zeichen der „Herz und Geister ansteckenden Liebe“ sucht. Ich stelle mir, wenn ich „An die Sternen“ lese, auch Andreas Greif vor, in einer Nacht unter freiem Himmel, den Blick erhoben, staunend, rätselnd und sicher nur seiner selbst.

In der Schneedecke Fährten

Auch wir waren das mal, so Ge   fährten, nur ist es lange vorbei.
Was kann es sein, das mich nicht   mehr loslässt an so einem, dem
ich schreibe, entschuldigend und   zornig, zärtlich, verständnisinnig,
und der doch nur lauter verstummt.   Beharren? Er ist ja wie verblichen.
Und der Geist, der in mir wiedergeht,   scheint grausam damit zu spielen.
So gefriert der verharschte Schnee   auf aller gemeinsamen Zeit, denn
allem Zartgefühl habe ich selbst lang   abgeschworen. Da sind Fährten,
das Leben bis hier, nirgends seine,   unsichtbar, ungeworden. Fühlbar
trag nur ich unsere alte Geschichte   noch. Und dennoch – was ist es?
In der Schneedecke Fährten. Lass   gut sein. Jedem auf seine Weise,
ihm, mir, gestern, heute, morgen,   und allen Spuren eine gute Reise.

Friss meinen Blitz

In der ersten Märzsonne hockt die gesamte Dorfschule auf dem asphaltierten Schulhof und lauscht dem Lehrer, der auf der steinernen Bank neben dem Eingang sitzt. Die große Kastanie, ihre Krone überwölbt den Hof, auch sie hört zu. Das glaubt nur, wer lernt. (St. Maîme, 14.3.)

Auf den alten, durch und durch verrosteten Wassertankanhänger gesprüht: „Love is love“ – als müsse die Liebe aus diesem Behälter fließen.

„Je vais m’acheter un cheval et partir trafiquer dans l’inconnu.“ Rimbaud, den man, als Mensch, nicht kennengelernt haben möchte, Rimbaud, der am Stuttgarter Neckarufer Verlaine mit einem Stock zu Boden, ihn blutig schlägt. In sich trägt er nicht nur den absoluten Willen zur Moderne (bah), vor allem flammt in ihm der Zorn der Zeiten, der nicht länger zu kanalisieren ist. „Ich werd mir ein Pferd kaufen und aufbrechen, mit dem Unbekannten Geschäfte zu machen.“ Voilà. Das Unbekannte. Aber ebenso: Geschäfte. „Trafiquer.“ Anders als Keats 50 Jahre zuvor, kannte Rimbaud keine Moral, keine Werte mehr. Er war ein genialer Krämer.

Plötzlich durchquert eine Schafherde das Dorf. Tags darauf grasen die Tiere an einem Hang, und abseits liegend wacht der weiße Hund, ohne dass sein Schäfer zu sehen wäre.

Der Pont Julien bei Bonnieux, 2025 Jahre alt und bis vor sieben in Benutzung selbst für den Lkw-Verkehr. Die Kalksteinfelsen unter den Kalksteinbögen – glattgewaschen vom Wasser des Calavon, glattgetreten und -gerieben von den Kindern im Mittelalter und zu Zeiten von Papst Urban III.

Seit sechs Jahren arbeite er in dem Antiquariat, sagt der Alte mit dem Trinkergesicht – „… und jeden Tag mehr ermesse ich die Weite meiner Unwissenheit.“ Eine halbe Stunde später sehe ich ihn wieder im Supermarché, drei Dosen Starkbier im Plastikbeutel – am liebsten hätte ich mich vor ihm verneigt. (Avignon, 15.3.)

Auf einem Feld nahe der Landstraße, auf der wir mit 120 Sachen vorbeikacheln, tollt ein Fuchs – und blickt kurz gleichgültig her. (Aspres-sur-le-Buëch, 18.3.)

Wandspruch in Volx: „Mange mon foudre!“ – „Friss meinen Blitz!“

Schneeinvestment

Der verharschte Schnee und
die Spuren darin. Was oder
wer lief da, wohin, woher.
Alles Weite soll sich zeigen,
das ist die Schneeinvestition.
Alles wird Flocke, das Treiben
nimmt kein Ende, der Schnee ist
das beschlossene Aus alles Engen.
Was werden die Kinder behaupten
von dir, falls sie sich überhaupt
deiner erinnern. Du da, der du
früher vielleicht einmal warst,
bist du im Schneegestöber wieder.
Deine Hellseherkräfte haben reichlich
Rost an den Kufen, aber wer weiß schon,
wer hat von Weisheit einen Schimmer. Einer
der Jungs auf den Schlitten bleibst du für immer.

Das Gras in eigener Sache

Das Gras wächst weiter – dass das jedem – und jeder – klar ist. Das Gras leistet Widerstand. Denn es ist im Widerstand. Wogegen? Gegen das Ausradieren, das Tilgen, das Plattmachen, das Zubetonieren der Zweifel und der Widersprüche. Das Gras wächst, es wendet sich gegen das Gestutztwerden, gegen alle, die aus Mangel an eigener Fantasie glauben, das Andere plattmachen und in die eigene Enge treiben zu müssen, ja zu können. Nichts da. Hier wächst es, das Gras. Es hat keine Meinung. Es vertritt keine Überzeugung. Aber es weigert sich und es wehrt sich. Das Gras wurde in den vergangenen Wochen angegriffen, „gehackt“, wie man heute so sagt, von wem, mag dahingestellt sein. Weswegen? Weil das Gras offen ist. Seit zehn Jahren wächst hier das Gras. Gedichte entstehen im Gras, Bilder bilden sich heraus im Gras, Lektüren werden im Gras überdacht, Stimmen gehen durch das Gras, das Verschwinden ist im Gras überall spürbar. Das Altern. Das Lächeln als Widerstand. Der Kummer, die Trauer, die Freude am Dennoch, die spürbare Stärke des Immerweiter. Das Gras wollte schon des Öfteren aufhören zu wachsen. Noch aber wächst es. Dem Bot oder den Programmierern des Bots, der das Gras angreift, ist derlei völlig gleichgültig – so gleichgültig, wie das Gras überhaupt jemandem ist. Das Gras ist ein Inbegriff der Belanglosigkeit. Das gibt ihm seine Freiheit. Es wächst – und damit ich, und damit hoffentlich auch du.

Noch immer hebt so ein Satz in mir an, den ich dann fiebrig, wie panisch, abtaste mit der Frage (an wen?), ob er ein Vers sein könnte. Heute, inzwischen, gehe ich lieber Wäsche aufhängen, als dass ich mich krumm mache für das nächste Elaborat.

Nicht für Seelenkundler: Mit einem Mal musste ich mir die Nägel schneiden.

Das Schneeinvestment!

Echo & The Bunnymen – Heaven up here

Welcher Schnee ist unsichtbar? Der von gestern. Und der von morgen.

Vom Stumpfsinn zum Starrsinn und zurück. Putins Truppen überfallen die Ukraine. (24.2.22)

Die Pracht des Lichtgefunkels auf dem Fleet: Mit jedem Windstoß verändert sich die Gestalt des Funkelflecks auf dem Wasser. (Seltsam angerührt von der Bewegung.)

Roma Termini

Der dunkelblaue Ventilator
    eines Septembergewitters
        rotiert über Trastevere.

Ohne Schirm, nur im Hemd
    unterm alten Maulwurfkostüm,
        läuft er im Regen zum Fluss,

vorbei an einem Zentaur: Junge,
    junges Ding auf den Schultern.
        Gioletti. Letzte Pferdetram.

Schwitzend, mit Stützstrümpfen
    eine abgetakelte Schwuchtel,
        so sitzt man nicht im Greco.

Und mitten auf der Piazza Cavour
    ein zahnloser Mensch, genäht
        in Sacktuchfetzen, genau

da auf dem nachtdunklen Pflaster
    lümmelte Bosie am Cafeteriatisch
        in der Sonne, Weste, Hut weiß,

grinsende Muttergotteserscheinung.
    Auch der Lebensbogen hat sein
        Gedächtnis. Darum ist man ja

niemals allein, selbst der nicht,
    der für sich sein will, wenigstens
        in den schlimmsten letzten Momenten.

Antwort aus der Stille

Das Gras wächst weiter, meistens wächst es nachts. Mitunter wächst es stundenlang, dann wieder für Wochen gar nicht. Das Gras, so scheint es, wächst wann es will, nach grüner Lust und grüner Laune. Nur ist das Gras ja gar nicht grün. Das Gras lacht, wenn wer vorbeigeht, der vom schönen Grün des Grases schwadroniert. Ich träume zuweilen von Gras. (Und auch im Traum ist es grün.) Der leichte Wind, der durch die Halme streicht, wie die Hand eines zurückgebliebenen kleinen Kindes (würde Bove vielleicht schreiben). Einmal (gestern Nacht) kam mir aus dem Gras der weißblonde Kopf meines toten Hundes Helge entgegen. Ich verdanke dem Gras so vieles. Vor allem das Wachsen. Das Gras wächst nämlich stets, nur eben im Verborgenen. Und in der Farbe, die es sich selber wählt.

„Seine Fehler sind nichts wert“, sagt ein junger Mann, der vorbeigeht, und gibt mir bis zur Kreuzung zu denken, bevor ich ihn für immer vergesse. (Hoheluft, 22.1.)

Bill Evans – Everything digs

In seiner Tragik und seinem Witz wie in seinem Ton und seiner Satzkunst Kafkas „Schloß“ ebenbürtig ist Genazinos „Abschaffel“-Trilogie.

Liebesbekundung: Ich stecke das Buch in die Gesäßtasche – Peter Handkes Stunde der wahren Empfindung.

Wie du Bands anhand ihrer Namen unterscheidest, kannst du Käse anhand seiner Namen unterscheiden.

Dann aber bist du mit einem Mal wieder da, und die Nebelwand löst sich auf. Plötzlich bist du wieder Brücke, aus dem Nebel, Antwort aus der Stille.

Im Uhrmacherladen das Ticken im Herzen der Welt.

Eine alte Bekannte getroffen – mit wie wenigen Worten sie mir etwas von Bedeutung sagte.

Du musst erkennen, dass du die Unmöglichkeit zur Vermittlung der Ereignisse und Konflikte nur durch die Gestalt überbrückst – und dass insofern die Poesie zumindest die Erwiderung ist auf Trakls Diktum, man könne sich nicht mitteilen, ja wenn nicht gar die Widerlegung.

Victor Hugo nennt Rimbaud „Shakespeare enfant“, und Rimbaud nennt die eigene Dichtung „absurde, ridicule, dégôutante“, abstrus, lachhaft, widerlich.

Echo & The Bunnymen – Ocean rain

Erinnerung, Erinnye

Erinnerung: als wollte etwas nicht verbrennen, wenn das Gedächtnismeer
in Flammen steht. Als wäre mein Vater ein Brandschiff, die Decks voll Dynamit, und meine Mutter gießt in jede erste Schenke ihr Benzin. Wohin ich fahre, ist der Hafen immer Schutt und Asche lang, verbrannt im aller-
wundergelbsten Sonnenuntergang. Erinnye.

Erinnerung: ich kaute Fingernägel, dabei aber eigentlich Gedanken. Ich hatte nachts nicht bloß die Angst, ich hatte allen Grund, mir vorzustellen, vor dem Bett, in meinem Rücken, steht ein Mann. Und wenn ich mitten am Tag vor mir wieder den Brennenden sah, wusste ich immer schon lange Zeit vorher, wann es geschah. Erinnye.

Erinnerung: als ginge kurz nach Mitternacht die Sonne auf. Wir fuhren mit dem Käfer langsam auf den Unfall zu. A 7, Wagen brannten, nichts war abgesperrt, und in dem einen sitzt am Steuer einer und verbrennt. Und meine Mutter sagte in dem Hitzeschein: Du siehst da gar nicht hin, du siehst nur mich und was ich bin. Erinnye.