Ein Hündchen

Die Doppelwirklichkeit!

Der Ritt über den Bodensee – der Ritt über den Boden sein.

Ein junges Mädchen, an der Leine ein weißes Hündchen, kommt mir im leichten Flockenfall unter den großen Bäumen entgegen – blässlich, scheuen Blicks, und brüllt mit einem Mal, keine zwei Meter vor mir, los, als wäre ich unsichtbar: „Oh mein Gott! Oh mein Gott! Mein Gott!“ – und als ich mich verstört umblicke, kommt eine Freundin oder Schulkameradin auf ihrem Fahrrad angefahren, und keine zehn Sekunden nach dem Schreien – das wem galt? welcher Nachricht? –, schreiten die beiden stumm nebeneinanderher mit dem Hündchen davon (Ohlsdorf, 20.2.).

Ein guter Tag

Ein Tag im Bett, mit Kopfschmerzen, taumelnd ins Bad, wankend in der Küche, ein Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend im Bett, ein unfreiwilliger, dem Körper, der Leiblichkeit abgetretener Tag – ein guter Tag. Er zeigt dir deine Grenzen auf. Er zeigt dir, dass er gut auf dich verzichten kann.

Am Seeufer in dem Wäldchen, wo deine Jugendliebe zu Ende ging (und die Liebe zu deiner Jugend), dort ist heute ein Hochseilgarten, und in zwanzig Jahren bestimmt ein Vergnügungspark – hurrah! (17.2., Amelinghausen)

Lebwohl, Augenblick

Zum Abschluss des Seminars hatte jeder Teilnehmer einen Brief an sich selbst zu schreiben, in dem er klarstellen sollte, was er künftig zu tun gedachte. Alle hatten viele Pläne, alle teilten ihre Pläne sich selber mit. Eine junge Frau schrieb einen Abschiedsbrief.

Gefragt, ob er noch einmal so würde leben wollen, antwortete der krebskranke Christopher Hitchens auf dem Sterbebett: „Yes, probably“ – und auf die Frage, warum er so viel getrunken, so exzessiv geraucht habe: „to enhance the moment“. Um den Augenblick auszudehnen, ihn in die Länge zu ziehen – wesentlich, die Zeit ins Mark treffend, und doch so vergeblich wie desolat. Sicher, der Impetus verschafft kritischen, freidenkerischen Stimmen wie Hitchens‘ Raum – nur wozu? Es ist ein leerer Raum, seine Erfüllung bloß Genuss geschuldet. Die Alternative – Genügsamkeit, Gelassenheit, Vertrauen (nicht Selbstvertrauen, sondern Vertrauen auf Andere und Gottvertrauen) – erscheinen davor lachhaft (15.2.).

Pferd

Karl und PferdSo haben sie also als Lasagne, Döner und Köttbullar tote Pferde verschlungen, ohne davon gewusst zu haben – und wollen sich auch noch beklagen? Schert euch weg, Gaulfresser. Beklagen könnten sich – wären sie so jämmerlich – nur die Pferde, die es überlebten, dass halb Wahnsinnige alles fressen, was noch lebendig ist. Nur ein Schritt noch, und erste kannibalische „Skandale“ werden publik. Shakespeare (ob er so hieß oder nicht, eine lebendige Hand schrieb unter seinem Namen) wusste, warum er eine seiner blutrünstigsten und skrupellosesten Figuren, König Richard III., nach dem Tier rufen lässt: „A horse, a horse! my kingdom for a horse!“
Bild: Anthonis van Dyck, Reiterporträt Karls I., 1637-38, National Gallery London

Lilienpapier

Die vierköpfige Lilie, die sie mitbringt, in eine Zeitung eingeschlagen vom Februar 2006, und auf dem Blatt dein Bild, dein Name, und der Name des Schiffs, auf dem du aus dem Buch lesen würdest (in ein paar Tagen, vor sieben Jahren) – dort liegt es (noch immer): das Schiff in der Nacht. Zufall. Bricht ab von der Zeit und fällt dir zu – so ein Geschenk! (13. Februar)

Über dem Hafen

Im Aufzug:

ÜBER  BRAND
LAST  FALL

Hoch über dem Hafen, nachts um halb vier: das goldene Licht dort, wo sie arbeiten, die Maschinen, die noch löschen. Und am Morgen, auf einem Dach im Schnee, zwei junge Männer, warten, rauchen, frösteln ein bisschen. Sie gehen umher. Einer zeigt. Einer guckt in die Ferne. Alles: Ferne (11./12.2., St. Pauli).

In der Winternacht ist alles Zeichen

Alle, fast alle Fußballklubs der oberen österreichischen Klassen führen heute ihren Sponsoren im Namen: einen Energydrink, eine Molkerei, einen Gabelstaplerfabrikanten, weiß der Teufel, was nicht alles. Allein der FC Tirol heißt jetzt wieder Wacker Innsbruck – und führt im Namen, wie es ist.

„Die Elbphilharmonie!“ – „Die Äpfelharmonie?“

In der Winternacht ist alles Zeichen: das Baumknacken, das im Frost stehende Licht, die aus der Balkontür in deinem Rücken herausflutende Wärme – Überleben (10.2.).

An der Salzach

An einer Straßenkreuzung am Salzachufer warte ich auf grünes Licht, als eine junge Frau das Seitenfenster ihres Wagens herunterfahren lässt, den Schrei eines Tiers ausstößt in meine Richtung – und davonrast.

Das Heizkraftwerk Von Graz kommend rollt der Zug noch einmal mit mir über die Salzach, dort, wo ich vor zwei Tagen noch im abendlichen Schneefall ging: am Fernwärmekraftwerk, erbaut auf den früheren Schlachthöfen, und immer stehen hier – sieh nur! – Georg Trakls „rosenfarbene Moscheen“. © Foto: eweht

Ihr Freunde

Als Neapel italienischer Fußballmeister wurde, schrieben Anhänger an eine Friedhofsmauer: „Schade, ihr Freunde, dass ihr das nicht miterleben könnt!“

Das griechische Generalkonsulat im Souterrain eines verglasten Parkhauses am Salzburger Flughafen „Wolfgang Amadeus Mozart“ – ein Eingang weiter: „Ersatzteile-Barverkauf“ (8.2.)

Der Erlebnisartikel!

Unter den weißen Bergen

Im Schneetreiben, unter den weißen Berghängen entlang, dahin an den grauen Ufern der Salzach, der Mur, fahre ich vier Stunden lang durch das vor Kälte klirrende Österreich, hinein in die Steiermark. Wie lange müsste ich in meinem Land (das es nicht gibt) warten auf diesen Anblick (An-Blick): Hält der Zug in einem Dorf, einer Kleinstadt, dann rennen die Jungs (die Buben) über die Gleise und Schneewehen davon, heimwärts, heim (Leoben, 7.2.).

Wandspruch, in Graz: „Es geht bergauf!“

Schnee im Mirabell

Im Garten knackt das Eis. Die Nacht
legt sich zu einem Tuch aus Frost
um alles, was sie spiegelt, und
der Himmel wandert. Jemand lacht

im Wind der weggebeizten Sterne,
vielleicht weil oben, heller Blick,
so groß der Mond steht. Dunkelblau
zieht es zwei Fahnen in die Ferne,

und in den Lichthof stürzt der Schnee,
als könnte er sich damit retten.
Sechs Uhr. Die Glocken. Eine Frau
am Ufer bettelt noch. Ich geh

und sink zu ihr durch stumme Zeit –
zu Felsen und Musik der Toten,
dick Eingemummten in den Bussen,
dem Schmerz in der Genügsamkeit.

Für Hans Weichselbaum

Im Tomaselli

Das Zimmermädchen im Hotel Weiße Taube heißt Lilith (Salzburg, 5.2.).

Da das Demel am Waagplatz zugemacht hat, nach nur zwei Jahren für unrentabel erklärt, setz dich lieber wieder ins Tomaselli am Alten Markt. Im Obergeschoss, im dunkel getäfelten Raucherzimmer, wartet Trakl auf Buschbeck, Gespenst mit im Kopf umherwandernden Sonettreimstrukturen. Draußen die grauen Häusermauern, der Schneehimmel – während Buschbeck am anderen Salzachufer im Café Bazar sitzt. – Du kannst dich nicht mitteilen, nichts irgendjemandem. Zwischen dir und ihm strömt der Fluss.

Knöpfe und Wolken

In der morgendlichen U(nterwelt)-Bahn, da sitzen sie und werden immer mehr: die E-Book-Leser, zu erkennen an ihrer Reglosigkeit. Ihr Blättern ist keins, es ist ein Knopfdruck, ihre Blätter sind keine, so wenig wie ihre Knöpfe Knöpfe sind, haben die Bücher noch mit Buchen zu tun. Lesen sie? Sie sehen aus, als würden sie lesen. Nicht in den Bäumen. Statt Lektüre Information, in Form bleiben.

Die Wolken-Kampagne!

Die Waldecke

Von seiner Gruppenplastik „Der Wald“, einer „Komposition mit sieben Figuren und einem Kopf“ aus dem Jahr 1950, sagt Alberto Giacometti, die zufällige Anordnung verschiedener Figurinen auf seinem Atelierfußboden sei unverrückbarer Ausgangspunkt der Plastik gewesen. DerWald Zufall (Sprache der Welt!) und Erinnerung: Erinnertes stößt dir erneut zu. Es stößt dir auf und durchbricht die Verschüttung. Giacometti erzählt, die auf dem Boden stehenden Figuren hätten ihn an eine in der Kindheit immer wieder seltsam auffällige „Waldecke“ erinnert (im Bergell?), in der Bäume „mit ihren nackten schlanken Stämmen (astlos fast bis zu den Wipfeln hinauf) mir stets als auf ihrem Weg erstarrte Personen vorkamen, die miteinander sprachen“. – Der Kopf also der des die „Waldecke“ betrachtenden Kindes? Oder auch der Kopf, das Kind, ein Baum? (3.2.)

Bild: Alberto Giacometti: „Komposition mit sieben Figuren und einem Kopf“ („Der Wald“), 1950. Museum Lehmbruck, Duisburg

Was die Wimper hält

Wind, der zu Sturm wird – du erkennst es nicht allein an der Geschwindigkeit. Heute Nacht ist in der Luft ein Lärmen wie von tief fliegenden Jets, einem vom Himmel wirbelnden Turm, dem Wirbelturm (30.1.).

„Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,
Von dem goldnen Überfluss der Welt!“
Gottfried Keller

Der erste blaue Tag, seit Wochen. Duft (in der Luft) des Vorfrühlings – Bussard fliegt übers Haus, Singvögel singen und Jogger laufen. Du musst dich retten ins Weitermachen, aus dem Weiter musst du dir das Neue machen. Möcht ich ein Komet seyn? Ja, ich glaube. Lies Hölderlin (In lieblicher Bläue, 2.2.).

2. Februar: Sonja Gehr, heute hast Du Geburtstag. Zuletzt sah ich Dich, da warst Du neun. Lebst Du? Leb!

Du spürst das Verwandte

Das Zimmerfenster blickt auf den nächtlichen Kirchplatz im Magnitorviertel. Braunschweig1961Er ist leer, stumm, verlassen, voller Geister und Schatten, die lachen, belebt wie am Mittag, wenn die Schulen aus sind und die Schüler durch die Stadt strömen. Es ist 1961. Dort unten auf dem Kopfsteinpflaster vor der Bäckerei steht meine Mutter und bespricht etwas Ernstes mit ihrer Freundin Renate. Sie sind 15. In vier Jahren komme ich zur Welt (Braunschweig, 29. Januar).

Ein blühender Forsythienstrauß auf dem Tisch, gelb und grün, noch gar nicht duftig, vielleicht doch aus Stoff und Kunststoff? Nein, lebendig (du spürst das Verwandte zwischen den Fingerkuppen), zugleich am Blühen und Verwelken. Ich denke an den Strauß noch am tristen Braunschweiger Hauptbahnhof: Forsythiensträucher stehen dort im Nieselregen, kahl, glänzend, Gerippe – noch viel zu früh für blühende Forsythien.

Foto: Die Geistertram von Braunschweig mit der Reklame „Foto-Lange gibt sich Mühe“

Sport

Doppellesung im Theaterfoyer an der Hamburger Mundsburg – es geht um Sport und Schwangerschaft, „gedrillte Leiblichkeit“. In der Pause sackt der neunzigjährige Vater des Veranstalters in sich zusammen, im Publikum findet sich ein Arzt, der stolz zur Tat schreitet, ein Notärzteteam trifft ein und löst den Bühnenarzt ab, Frauen weinen, Männer beruhigen, der alte Herr wird zum Patienten erklärt und abtransportiert, und die Veranstaltung wird fortgesetzt, als wäre das Wirkliche davongetragen worden, als müsse schließlich weitergemacht werden mit dem Sport (28.1.).

Well now, everything dies, baby, that’s a fact
but maybe everything that dies someday comes back
put your makeup on, fix your hair up pretty
and meet me tonight in Atlantic City

Bruce Springsteen, Nebraska, 1982

Lichtungen

„Schneereste auf den Lichtungen“ – ein anderer Vers(rest), der, vor über zwanzig Jahren, liegen blieb – wie die gräulich weißen Reste im gräulich grünen Gras, wenn der Schnee allmählich schmilzt. Nur höre ich es neu Jahr für Jahr: „Schneereste auf den Lichtungen“ – welche Lichtungen waren das, wo sind sie? Sind sie nur noch in mir? (27.1.)

Ich lief wie eine Wolke einsam hin

Ich lief wie eine Wolke einsam hin,
Die langtreibt über Hügelland und Tal,
Als ich auf einmal eine Schar im Wind,
Ein Heer aus goldenen Narzissen sah;
Am See, unter den Bäumen auf der Wiese,
Tanzten und flatterten sie in der Brise.

So unaufhörlich, wie das Licht der Sterne
Sich funkelnd auf der Milchstraße erstreckt,
War eine Bucht am Rand bis in die Ferne
Von ihrem endlos langen Band bedeckt:
Zehntausend sah ich auf den ersten Blick
Im Tanz die Köpfe schwenken irr vor Glück.

Die Wellen tanzten so wie sie; allein,
Das Wellenglitzern, nirgends war’s so heiter.
Ein Dichter musste einfach fröhlich sein,
Umgeben von so lachenden Begleitern.
Ich staunte – staunte –, wenn ich auch kaum dachte,
Was einen Reichtum mir der Anblick brachte.

Denn oft, wenn ich bloß dalieg auf der Couch
Und Leere oder Grübeln an mir frisst,
Blitzen sie auf vor jenem innern Aug,
Das in der Einsamkeit die Wonne ist,
Und keine Freude muss mein Herz mehr missen,
Weil es dann Tänze tanzt mit den Narzissen.

William Wordsworth

*

Nachdem ich in den letzten Tagen Wordsworths „I wandered lonely as a cloud“ übersetzte, ein seit über zwanzig Jahren gehegter Wunsch, erfuhr ich heute von einem lieben Freund, dass Wolfgang Schlüter schon seit mehreren Jahren an einer ersten umfassenderen deutschsprachigen Wordsworth-Ausgabe arbeitet. Der Plan, gemeinsam mit Norbert Hummelt, Jan Wagner, Alissa Walser und anderen Wordsworth zu übersetzen, ist damit vom Tisch – denn so muss es sein. Wolfgang Schlüters Übertragungen sind profund, und sie klingen. Ich wünsche ihm, auch für Wordsworths „Prelude“, dem „Vorspiel“, alles Glück und alles Gute.

Der Drache

Ich merke: China ist verschwunden, verschwunden aus mir. Ich bin, dort wo ich bin, stärker als China. Das Jahr des Drachen, vorbei. Er hat mich nicht gefressen, und ich mich von ihm nicht fressen lassen (25.1.).

„Der gefährlichste Ort ist der, den du nicht mehr verlassen willst“, sagt das Kind: „das Bett, das warme Meer, das Paradies.“ – „Dann wäre ja die Hölle ungefährlich“, sagt der Vater. – „Ja, die Hölle ist ungefährlich.“

Ein Chor

„Mir ist kalt bis auf die Grundmauern.“

„Brotwein!“

„Ein Chor aus lauter schlurfenden Schritten …“

Spruch des Tages: „Ertrage die Clowns.“ – Spruch zur Nacht: Ertrag du erst einmal den Ernst.

Zwei Slogans und ein Ungeheuer

Werbeslogan auf einem vorbeibrausenden Lieferwagen: „Die Natur macht uns ungläubig“ – hab ich mich verlesen?

Nach vier Tagen riecht der Mantel noch immer nach dem Bahnhofsbistro von Udel’naya – dick vereister Vorort mit Freiluftmarkt. Schneedunst über den kilometerlang geradewegs auf dich zu strebenden Gleisen, und der Zug, der dann kam, ein schmutziges, Ehrfurcht gebietendes Ungeheuer, wie es sich am Bahnübergang vorbeischob Richtung Petersburg (22.1.).

„Metzgerei Parzen! Seit 50 Jahren Parzen-Qualität!“

Die Lebenden

Georges Hyvernaud, in „Haut und Knochen“, über die Kriegsgefangenschaft in der NS-Zeit: „Man fragt sich wirklich, was die Russen überhaupt noch treffen könnte. Sie setzen einen Fuß vor den anderen. Sie tun bestimmte Handgriffe. Aber sie befinden sich nicht mehr auf dieser Seite der Dinge. Mit übernatürlicher Langsamkeit treiben sie durch ein Gespensterreich. Die Lebenden sind es, die einen an den Tod erinnern. Nicht die Toten. Die Toten sind so tot, daß sie bereits der Welt aus Stein und Holz angehören.“

© Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. Aus dem Französischen von Julia Schoch

Die Hände

Abschied von St. Petersburg bei leichtem Schneefall gegen halb elf Uhr morgens – finstere Nacht. Gestern um dieselbe Zeit die ergreifende (bewegende, dich auf- und anschließende) Messe in der Wladimirkirche. WladimirkoHunderte dick eingemummte Gläubige waren zu Fürbittgebeten gekommen, Frauen, Kinder, Männer, Junge und Alte schrieben die Namen Verstorbener, für die gebetet werden sollte, auf Zettel, die sie für wenige Rubel bei drei Schalterfrauen in gläsernen Kästen abgeben konnten. Kinder malten Gesichter (von Toten?), alles sang ein monotones, durch und durch gehendes Lied, dessen Kraft (mich) überwältigte. Pope und Messdiener verschwanden hinter den goldenen Sakristeitüren, der Vorhang ging zu. Ein junges Mädchen mit blau geblümtem Kopftuch achtete bei allem auf seine traurige Mutter, die wie ihre Tochter aussah, nur dreißig Jahre müder. Der Vater mit großen Händen, zärtlich das Kind durch die Zeremonie manövrierend, traurig, müde, Raskolnikov, Sonja und ihre Tochter. – Nimm es an, es ist ein Geschenk: Du gehörst zu den einfachen Leuten. Sie sind reich, sie haben Seele (20.1.).

Die Kronleuchter

Die Kälte – und Spatzen im Kronleuchter der Bahnhofswartehalle. Ein Trinker baut sich auf unter dem Leuchter und redet mit den laut tschilpenden Vögeln, bevor er sich in eine Ecke kniet, sein Wodkafläschchen aufschraubt, sich bekreuzigt und trinkt (Pushkin, 19.1.).

Vorbei an weißen Fabriken, überfrorenen Straßen und Wäldchen, vereistem Strauchwerk, einem eingeschneiten Lokomotivfriedhof – hinein ins goldene Spätnachmittagslicht über dem weißen Katharinenpark des Schlosses von Zarskoje Selo. So geschmacklos der kalte Pomp, so erschütternd die dokumentierte Zerstörung durch die Deutschen 1942, die ausgebrannte, geplünderte Palastruine im Schnee.